Asthma beim Nachwuchs – chronischen Lungenerkrankungen präkonzeptionell vorbeugen

Autor: Manuela Arand

Schon vor dem Gedanken an Kinder kann einiges für deren Gesundheit getan und so das Asthmarisiko minimiert werden. Schon vor dem Gedanken an Kinder kann einiges für deren Gesundheit getan und so das Asthmarisiko minimiert werden. © Photographee.eu – stock.adobe.com

Die beste Prävention ist die, die früh beginnt. Im Fall chronischer Lungenerkrankungen heißt das: möglichst bevor Spermium und Eizelle sich treffen.

Für Schwangere ist der Druck groß, alles zum Schutz des Feten zu tun – sie sollen u.a. das Richtige essen und trinken, nicht rauchen und auf Alkohol verzichten. Mit genauso viel Vehemenz müsste man allerdings für den präkonzeptionellen Schutz der Keimzellen sorgen – bei Frauen genauso wie bei Männern – denn von ihnen hängt nicht nur die Gesundheit der nächsten, sondern auch weiterer Generationen ab, betonte Professor Dr. Cecilie Svanes, Universität Bergen. So gibt es z.B. Erkenntnisse, dass Übergewicht und Rauchen in der Präpubertät und berufliche Exposition gegenüber Reinigungs- und Desinfektionsmitteln der respiratorischen Gesundheit der Nachkommen schaden.

Dampfen stört die Atemwegsentwicklung

Wer via E-Zigarette raucht, gibt seinen Kindern möglicherweise ein ungutes Erbe mit. Das legen Untersuchungen von Professor Dr. Susanne Krauss-Etschmann, Forschungszentrum Borstel, nahe. Als Forschungsobjekt benutzte sie Drosophila melanogaster, die einfacher zu studieren sind als z.B. Mäuse. Die Entwicklung der Larven verläuft schnell und ist gut zu beobachten. Außerdem haben Fruchtfliegen einen simpel aufgebauten Atemtrakt, an dem sich Normabweichungen leicht erkennen lassen. Jungfräuliche Fliegen wurden mit E-Nikotin benebelt, das man über einen Draht verdampfte wie er auch in E-Zigaretten verwendet wird – das ist wichtig, denn beim Vaping werden aus dem Draht Schwermetalle frei, so die Forscherin. Kontrolltiere bekamen puren Wasserdampf. Dann wurden die Fliegen befruchtet und die Entwicklung der Larven genau verfolgt. Als erstes fiel auf, dass die exponierten Fliegen weniger und kleinere Eier legten, aus denen kleinere Larven schlüpften, die sich schlechter entwickelten. Außerdem zeigten die Larven verkümmerte Atemwege mit Strukturdefekten und irregulären Zellen in den Epithelien. Diese Effekte basieren auf Transkriptionsfehlfunktionen auf Genebene. Zugegeben, die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen ist erst zu beweisen. Bis Ergebnisse prospektiver Humanstudien vorliegen, werden jedoch viele Jahre vergehen. Bis dahin lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, dass E-rauchende Frauen riskieren, ihre Nachkommen mit einer unzureichenden Atemwegsausstattung ins Leben zu schicken, selbst wenn sie das Vapen vor der Konzeption aufgeben.

Anhand der Daten der Studien RHINE, RHINESSA und ECHRS errechneten Forscher das Asthmarisiko von Kindern, deren Mütter beruflich mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln gearbeitet hatten.1 Unterschieden wurden dabei vier verschiedene Szenarien, wobei eines – Expositionsbeginn erst nach der Entbindung – als Referenz diente. Waren die Frauen ausschließlich in den zwei (oder mehr) Jahren vor der Konzeption der chemischen Belastung ausgesetzt, erhöhte sich das Asthmarisiko ihrer Kinder um den Faktor 1,5. Da die Fallzahl (n = 150) insgesamt klein war, fiel das Ergebnis allerdings statistisch nicht-signifikant aus. Eine deutliche Risikoerhöhung für den Nachwuchs um 70 % zeigte sich dagegen im Szenario 2. Es umfasste die präkonzeptionelle plus die Exposition in der Schwangerschaft oder nach der Entbindung bzw. eine kontinuierlich bestehende (n = 610). Das höchste Asthmarisiko hatten Kinder von Müttern, bei denen die Chemikalienbelastung erst während der Schwangerschaft begann (Odds Ratio 2,2).

Desinfektionsmittel erhöht Asthmarisiko

Für die direkten Nachkommen von Frauen, die häufig Desinfektions- und Reinigungsmittel anwenden, ist also die Gefahr erhöht, dass sie ein Asthma bronchiale entwickeln. „Keine gute Nachricht in Zeiten von Corona“, kommentierte die norwegische Pneumologin. Spermien sind insgesamt anfälliger für mutagene Einflüsse als Oozyten, weil sie und ihre Vorläuferzellen wesentlich mehr Zellteilungen durchlaufen. Die Konsequenzen sind auch im Hinblick auf die Lungengesundheit erkennbar. So zeugen etwa Männer, deren Mütter während der Schwangerschaft dem Zigarettenrauch der Großmutter ausgesetzt waren, mit 1,3-fach erhöhter Wahrscheinlichkeit ein Kind, das später an Asthma erkrankt. Hatte der Vater vor Pubertätsende seines Sohnes geraucht, ist dessen Nachwuchs mit einem dreifach erhöhten Asthmarisiko belastet. Wie eine neue Studie zeigt, geht auch Übergewicht in der Pubertät bei Männern mit einem erhöhten Asthmarisiko für deren Kinder einher.2

Suszeptible Zeiträume zur Intervention nutzen

Das Resümee von Prof. Svanes lautete daher: „Die Exposition früherer Generationen scheint das Asthmarisiko heutiger Kinder zu beeinflussen, und die Exposition während der Schwangerschaft könnte gleich mehrere Generationen treffen.“ Im Umkehrschluss sei zu erwarten, dass protektive Interventionen in suszeptiblen Zeiträumen wie Pubertät und Schwangerschaft künftigen Generationen ebenso nutzen wie der Indexperson.

* European Respiratory Society

Quellen:
1. Tjalvin G et al. ERS 2020, ePoster Nr.3142
2. Lønnebotn M et al. ERS 2020; ePoster Nr. 2066