Interstitielle Lungenerkrankung Bei chronischem Husten, Gewichtsverlust und Erschöpfung sollte man hellhörig werden
Unter dem Begriff interstitielle Lungenerkrankung (ILD) wird eine Gruppe pulmonaler Störungen zusammengefasst, die mit einer Entzündung und/oder einer Fibrose des Parenchyms einhergehen. Sie führen oft zur respiratorischen Insuffizienz mit tödlichem Ausgang. Die häufigste ILD ist mit einem Drittel aller Fälle die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF). Bindegewebserkrankungen machen 25 % aus. Der Anteil der exogen allergischen Alveolitis liegt bei 15 %.
Leitsymptom der ILD ist die zunehmende Belastungsdyspnoe. Im fortgeschrittenen Stadium besteht häufig bereits in Ruhe eine Hypoxämie. Etwa 30–50 % der Menschen mit IPF leiden zudem an Husten, schreibt Dr. Toby Maher von der University of Southern California in Los Angeles. In der Folge kommt es vielfach zu chronischer Erschöpfung und prognostisch ungünstigem Gewichtsverlust: Eine Reduktion um mehr als 5 % erhöht das Mortalitätsrisiko um das 2,5-Fache. Die Symptome entwickeln sich je nach Form der ILD innerhalb von Wochen bis vielen Monaten.
Blick auf Hände und Finger gibt wichtige Hinweise
Die Diagnose der interstitiellen Lungenerkrankung gründet primär auf Anamnese und körperlicher Untersuchung. Auskultatorisch sind bei mehr als 90 % der Betroffenen mit Fibrose und bei 73 % derer mit Non-IPF-ILD basale Krepitationen zu hören. Nicht selten finden sich bei der IPF auch Trommelschlegelfinger. Als Zeichen einer zugrunde liegenden Bindegewebserkrankung fallen eventuell Hyperkeratosen („Mechanikerhände“), Gottron-Papeln und aktive Arthritiden auf. Im Endstadium der fibrotischen ILD kommt es zur Zyanose und zu Zeichen einer pulmonalen Hypertonie wie Galopp-Rhythmus, erhöhtem Jugularvenendruck und peripheren Ödemen.
Neue Lunge bei weit fortgeschrittener Erkrankung
Patientinnen und Patienten im Terminalstadium der ILD kommen für eine Lungentransplantation in Betracht, sofern keine Kontraindikation vorliegt. Als Voraussetzung gilt eine FVC < 80 % bzw. eine DLCO* < 40 %. Das neue Organ kann die respiratorische Insuffizienz beseitigen und die Prognose bessern: Nach der Transplantation liegt die Lebenserwartung bei weiteren fünf bis sieben Jahren im Vergleich zu weniger als zwei Jahren ohne Transplantation.
* Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid
Als technische Verfahren zur ersten Einschätzung eignen sich Röntgenthorax und Spirometrie. Die konventionelle Radiografie erreicht eine Sensitivität von 63 % und eine Spezifität von 93 %. Bei der Lungenfunktion zählt nicht zuletzt der Verlauf: Ein Abfall der forcierten Vitalkapazität (FVC) um 5 % innerhalb eines Jahres geht mit einer Verdopplung der Mortalität einher.
Sprechen die Befunde für eine interstitielle Lungenerkrankung, empfiehlt Dr. Maher vor dem Therapiebeginn die Konsultation eines multidisziplinären Expertenteams. Diesem sollten Fachärztinnen und Fachärzte für Pneumologie, Radiologie, Pathologie sowie Rheumatologie angehören. Zur Bestätigung der ILD-Diagnose dienen CT und Serologie (Autoantikörper, serumspezifische IgG-Antikörper.) Die CT besitzt eine Sensitivität von etwa 91 % und eine Spezifität von 71 % hinsichtlich der verschiedenen Subtypen der Erkrankung. Diese weisen in der Bildgebung charakteristische Muster auf, die mit histopathologischen Befunden korrelieren. Die thorakale CT hat inzwischen die Lungenbiopsie weitgebend abgelöst. Wenn eine feingewebliche Untersuchung dennoch erforderlich ist (ca. 10 % der Fälle), wird meist die bronchoskopische Kryobiopsie der riskanteren videoassistierten chirurgischen Entnahme (Mortalität 1–2 %) vorgezogen.
Wenn die Diagnose steht, muss im Anschluss der Schweregrad erfasst werden. Das geschieht über Lungenfunktionstests und über die Sechs-Minuten-Gehstrecke. Außerdem gilt es, das Vorliegen von Komplikationen auszuschließen, etwa mittels Echokardiografie. Liefern CT und Serologie keine eindeutigen Ergebnisse, wird zunächst geprüft, ob sich die Erkrankung mit invasiven Verfahren sichern lässt. Dazu eignen sich die Bronchoskopie inklusive bronchoalveolärer Lavage und die Kryobiopsie bzw. videoassistierte chirurgische Gewebeentnahme. In rund 15 % der Fälle gelingt es nicht, die Erkrankung zu typisieren. Die ILD wird dann als unklassifizierbar bezeichnet. Manchmal konkretisiert sich der Befund bei fortschreitender Symptomatik im Laufe der Zeit.
Das therapeutische Prozedere hängt vom histologischen Typ der Erkrankung ab. Bei IPF, progredienter Fibrose jeglicher Ursache oder sklerodermieassoziierter ILD eignet sich die antifibrotische Therapie mit Nintedanib oder Pirfenidon. Sie reduziert den jährlichen FVC-Verlust um 44 bis 57 %. Patientinnen und Patienten mit zugrunde liegender Bindegewebserkrankung (Kollagenose etc.) können von einer immunmodulatorischen Behandlung beispielsweise mit Tocilizumab, Rituximab und Mycophenolat-Mofetil profitieren. Über einen Zeitraum von zwölf Monaten betrachtet verlangsamt diese Therapie ebenfalls den Abfall der forcierten Vitalkapazität. Unter Umständen vermag sie sogar, das Lungenvolumen zu vergrößern.
Bewegungstherapie sorgt für Ausdauer und mehr Luft
Auch eine strukturierte Bewegungstherapie kann hilfreich sein. Sie lindert die Atemnot und verlängert die Sechs-Minuten-Gehstrecke. Bei Patientinnen und Patienten im Endstadium der ILD, deren O2-Sättigung während des Tests unter 88 % fällt, kann eine Sauerstoffbehandlung die Symptome mildern und die Lebensqualität steigern.
Bis zu 85 % der Patienten mit fibrotischer ILD im Endstadium entwickeln eine pulmonale Hypertonie. Bei ihnen kann eine inhalative Therapie mit dem Prostaglandinanalogon Treprostinil die Gehstrecke verlängern und Atembeschwerden lindern.
Quelle: Maher TM. JAMA 2024; 331: 1655-1665; DOI: 10.1001/jama.2024.3669