Jeder dritte chronisch Kranke ist mit seiner Gesundheitsfürsorge überfordert
Mehr als 40 % der Erwachsenen sind von chronischen Erkrankungen betroffen, 23 % sind multimorbide (d.h., es liegen mindestens zwei chronische Erkrankungen vor). Wer mit chronischen Erkrankungen lebt, muss für das Selbstmanagement nicht nur Zeit, sondern auch Energie und Aufmerksamkeit investieren, schreiben Viet-Thi Tran vom Centre d’Epidemiologie Clinique, Hôpital Hôtel-Dieu de Paris, und seine Mitarbeiter.
Ein Patient mit Typ-2-Diabetes beschäftigt sich jeden Tag durchschnittlich 143 Minuten mit seinem Selbstmanagement – wenn er alle Empfehlungen einhält. Bei Multimorbidität ist der Zeitaufwand noch deutlich höher. Kommen dann noch berufliche, private und soziale Verpflichtungen hinzu, machen manche Patienten hinsichtlich ihrer Gesundheitsaktivitäten bewusst Abstriche.
Die Belastung lässt sich mit einem Fragebogen einschätzen
Wann ist der Punkt erreicht, an dem chronisch Kranke mit ihrem Selbstmanagement überfordert sind? Um diese Schwelle zu ermitteln, wertete das französische Forscherteam Daten aus der Community of Patients for Research (ComPaRe, eine französische Online-Kohorte von Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen) aus. Die Teilnehmer füllten den sogenannten Treatment Burden Questionnaire (TBQ) zur Behandlungslast aus und beantworteten zusätzlich folgende geschlossene Frage:
- Denken Sie an all die Dinge, die Sie für das Selbstmanagement Ihrer Erkrankung tun: Können Sie sich vorstellen, dass Sie dieses Maß an Zeit, Energie und Geld ihr ganzes Leben lang für Ihre Gesundheitsfürsorge aufbringen können?
Die Antwort der Patienten auf diese Frage (Ja/Nein) wurde dann mit dem Ergebnis des TBQ verknüpft. Die Wissenschaftler definierten den „Patient Acceptable Symptom State (PASS)“ für die Behandlungslast als denjenigen TBQ-Score, bei dem 75 % der Patienten die Frage noch mit „ja“ beantworteten. Insgesamt wurden Daten von 2413 Patienten ausgewertet, das mediane Alter lag bei 48 Jahren, knapp 52 % hatten mehr als eine Erkrankung.
Per PASS einschätzen, wann es zu viel wird
Quelle: Tran VT et al. Mayo Clin Proc 2020; 95: 504-512; DOI: 10.1016/j.mayocp.2019.09.004