Appetitlos, unterernährt und traurig Kachexie bei Menschen mit Tumorerkrankungen sollte früh erkannt und behandelt werden

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Eine Tumorkachexie schwächt Betroffene nicht nur körperlich, sie stellt auch eine große psychische Belastung dar. (Agenturfoto) Eine Tumorkachexie schwächt Betroffene nicht nur körperlich, sie stellt auch eine große psychische Belastung dar. (Agenturfoto) © andreaobzerova - stock.adobe.com

Eine Tumorkachexie schwächt Betroffene nicht nur körperlich, sie stellt auch eine große psychische Belastung dar. Die Behandlung erfolgt multimodal mit Ernährungsberatung, Sport und appetitsteigernden Medikamenten wie Glukokortikoiden oder Olanzapin.

Insbesondere Tumoren des Pankreas, der Leber und des Gallensystems sowie des oberen Magend der Krebserkrankten können dieses komplexe Syndrom aufweisen, das durch Appetitlosigkeit, den Abbau von Fett- und Muskelgewebe sowie durch Erschöpfung und reduzierte Aktivität charakterisiert ist.

Dabei beschränkt sich die Kachexie nicht nur auf Patientinnen und Patienten im Endstadium einer Erkrankung, sie betrifft auch Menschen mit potenziell heilbaren malignen Tumoren. Weil sie regelmäßig zu einer weniger effektiven Therapie, reduzierter Lebensqualität und kürzerem Überleben führt, gilt es, eine Kachexie schon im Frühstadium zu erkennen und wirksam zu behandeln, betonen Forschende um Michael Yule vom Edinburgh Cancer Research Centre, University of Edinburgh. 

Gewichtsverlust, niedriger BMI und Nährstoffmangel

Zur Diagnose einer Kachexie eignen sich die Kriterien, die für die Malnutrition entwickelt wurden: Gewichtsverlust von > 5 % innerhalb von sechs Monaten oder > 10 % über einen längeren Zeitraum, ein Body Mass Index von < 20 kg/m2 oder < 22 kg/m2 bei über 70-Jährigen sowie eine reduzierte Nährstoffaufnahme. Als frühe Hinweise auf eine Kachexie gehen die Reduktion von Muskelmasse und -kraft dem klinisch deutlichen Gewichtsverlust häufig voraus. Zusätzlich zu diesen Kriterien sind Zeichen einer akuten oder chronischen Entzündung diagnostisch wichtig, z. B. ein erhöhtes C-reaktives Protein. Denn die Inflammation ist mitentscheidend für die Tumorkachexie. Der Tumor selbst unterhält die entzündlichen Prozesse: Maligne Zellen sezernieren eine Vielzahl an Substanzen, die zur Kachexie führen, und die damit einhergehende Entzündung verstärkt diesen Prozess.

Betroffen sind neben dem Muskel- und Fettgewebe auch die Funktion von Leber, Herz und zentralem Nervensystem. Auch eine Fehlfunktion des Hypothalamus spielt pathophysiologisch eine Rolle, sie führt zu Appetitlosigkeit und Müdigkeit. Hinzu kommen häufig depressive Stimmung und sozialer Rückzug.

Im Rahmen der Behandlung einer Tumorkachexie geht es zum einen darum, die unerwünschten Wirkungen der onkologischen Therapie zu reduzieren, die den Appetit beeinträchtigen. Dies betrifft v. a. die mit der Chemotherapie einhergehende Übelkeit. Zum anderen werden ein optimales Management von Begleitkrankheiten, der Verzicht aufs Rauchen, entsprechende Ernährungsberatung inklusive gezielter Gabe von Supplementen sowie eine geeignete Sporttherapie empfohlen. Künstliche Ernährung wird bei fortgeschrittener Krebserkrankung nicht empfohlen, da sie weder die Körperzusammensetzung noch das Gesamtüberleben zu verbessern scheint. Unverzichtbar ist dagegen eine begleitende psychosoziale Unterstützung. 

In verschiedenen randomisierten Studien wurden appetitsteigernde Medikamente für kachektische Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen Malignomen geprüft. Auf Grundlage der Ergebnisse empfiehlt die European Society for Medical Oncology (ESMO) die kurzfristige Gabe von Glukokortikoiden. Auch Olanzapin führte in einer Studie zu besserem Appetit und höherem Körpergewicht und kann bei fortgeschrittenen Tumoren mit dem Ziel der Gewichtszunahme eingesetzt werden. Aktuell geprüft wird zudem Ponsegromab, ein monoklonaler GDF*-15-Antikörper, der über die Hemmung der Inflammation der Kachexie entgegenwirkt.

 Wie die Autorengruppe betont, sollten alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Kachexie auf das jeweilige Stadium der Krebserkrankung abgestimmt sein. Prinzipiell empfohlen werden angemessene Ernährungsinterventionen für alle Patientinnen und Patienten mit einer Überlebensprognose von mehr als einigen Monaten. Beträgt die verbleibende Lebensspanne weniger als einige Wochen, sollte das Ziel der Behandlung darin bestehen, alle mit der Erkrankung verbundenen belastenden Symptome wie Durst und Übelkeit zu lindern und die Versorgung am Lebensende zu planen.

* Wachstumsdifferenzierungsfaktor

Quelle: Yule MS et al. BMJ 2024; 387: e0080040; doi: 10.1136/bmj-2024-080040