Rheuma Störfaktoren Fett und Muskelschwund
Übergewicht und seine Folgen spielen bei der rheumatoiden Arthritis (RA) eine große Rolle. Einer aktuellen italienischen Untersuchung* zufolge sind Adipositas, zentrale Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und das metabolische Syndrom eng mit der chronisch-entzündlichen Erkrankung assoziiert. Das ist schon bei der frühen RA relevant, wie eine chinesische Studie zeigt. Darin wurde die Adipositas mithilfe eines Index gemessen, in dem Alter, BMI, Taillenumfang und Blutfette eingingen. Hohe Werte waren bei Frauen mit früher RA mit einem hohen Risiko für trabekulären Knochenverlust verbunden. Dieser Prädiktor wird möglicherweise durch den chronischen Entzündungszustand bei Patientinnen mit viszeraler Fettstoffwechselstörung verstärkt. „Entzündung macht Knochen kaputt“, fasste Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner von der Universität Gießen plakativ zusammen. Das liege eigentlich auf der Hand, wurde aber von den chinesischen Kollegen zum ersten Mal so gezeigt.
Viszerales Fett heizt die Gelenkentzündung an
Doch wie sieht es bei jüngeren Frauen mit Gelenkbeschwerden und Übergewicht aus? Ist zu viel Bauchfett ein Risikofaktor dafür, dass sie eine RA entwickeln? Offensichtlich ja. In einer Studie bekamen Frauen mit einem Taillenumfang über 35 inches (88,9 cm) häufiger eine RA, wenn sie unter 55 Jahren alt waren, im Vergleich zu älteren Frauen. Wahrscheinlich heizt das Bauchfett durch die Produktion verschiedener Moleküle die Entzündungsprozesse in den Gelenken weiter an, vermutete der Experte.
Die Verbindung von Adipositas und Entzündung spiegelt sich auch bei manifester RA wider. So war ein BMI ≥ 30 kg/m2 über 60 Monate hinweg mit einem höheren DAS44 assoziiert, bei ACPA-Positivität sogar noch deutlicher als bei ACPA-Negativität. Bei ACPA-positiven Betroffenen ging in der gleichen Studie Übergewicht mit einer höheren Anzahl geschwollenener Gelenke und höheren CRP-Werten einher.
Insgesamt hat das Übergewicht bei RA-Betroffenen einen großen Einfluss auf zahlreiche Parameter. Es verstärkt die Krankheitsaktivität und die Schmerzen und verschlechtert die Funktionalität. Übergewicht fördert Komorbiditäten wie Arthrose, Depression und Diabetes und schließlich erhöht es die Mortalität: Bei kontrollierter Erkrankung ist das Mortalitätsrisiko bei einem BMI von 27 gering, bei einem BMI von 35 moderat.
Gefahr droht aber auch durch einen Mangel an Masse: So ist das Mortalitätsrisiko besonders hoch, wenn sich bei schwer ausgeprägter RA eine Kachexie mit Muskelverlust entwickelt. Diese sogenannte rheumatoide Kachexie ist nichts Neues, sagte Prof. Müller-Ladner. Sie war schon 1873 im Lancet ein Thema. Charakterisiert ist sie durch einen veränderten Energiestoffwechsel, reduzierte Proteinaufnahme und erhöhten Katabolismus bei gleichzeitigem Anstieg inflammatorischer Zytokine wie IL-1b und TNF-a. Das bedeutet, dass die Patientinnen und Patienten zusätzlich zur Gelenkdestruktion noch früher ins Bett bzw. in den Rollstuhl gezwungen werden, verdeutlichte Prof. Müller-Ladner.
Ein Steuermolekül bei diesem zerstörerischen Geschehen ist IL-6. Mit seinem Anstieg steigt der Ruheumsatz, wobei gleichzeitig die Eiweißaufnahme sinkt. Bei hoher entzündlicher Aktivität fehlen dem Muskel dann Proteine, sowohl um seine Masse zu halten als auch für einen Wiederaufbau.
Womöglich gibt es einen Biomarker, der das Risiko von Myopenie bei Frauen anzeigt. Myostatin als Hemmstoff des Muskelwachstums lag bei Frauen mit RA und einer Muskelmasse unter 5,5 kg/m2 im Vergleich zu Patientinnen mit einer höheren Muskelmasse häufiger über 17 ng/ml. „Wenn man wissen will, ob die Muskeln weg sind, kann man in Zukunft bei Frauen den Myostatinwert bestimmen“, sagte Prof. Müller-Ladner.
Erkrankte mit rheumatoider Arthritis sind oft fehlernährt
Eine rheumatoide Kachexie kann sogar schon bei der Prä-RA auftreten. In einer US-amerikanischen Kohortenstudie** mit 102 Betroffenen und 306 gematchten Kontrollen war die Prä-RA mit Muskelverlust, einem Anstieg des intermuskulären Fettgewebes und einem Wachstum des Bauchumfangs (gemessen mit der Waist-to-Height-Ratio) verbunden.
Eine Ursache der Kachexie kann schlechte Ernährung sein. Tatsächlich kommt es auch bei an RA Erkrankten zu Fehlernährung. In einer Untersuchung bei 76 Betroffenen waren immerhin 3 % unterernährt, 10 % hatten einen Albuminspiegel unter 3,8 g/l, mit dem sich kein Muskel aufbauen lässt, so Prof. Müller-Ladner. Die Ernährung ist also ein wichtiger Hebel, um den Muskelschwund aufzuhalten. Deshalb sollte man bei den Patientinnen und Patienten auch den Ernährungsstatus abfragen und eventuell eine entsprechende Beratung einleiten.
Fettsucht und Muskelschwund treten auch gemeinsam auf. Bei der sarkopenischen Adipositas verstärken sich Muskelverlust und Fettzunahme gegenseitig und tragen zur Entstehung eines chronisch-systemischen Entzündungsprozesses bei. „Am Ende hat man einen dicken Bauch und keine Muskeln“, beschrieb Prof. Müller-Ladner. Jeder zehnte RA-Patient leidet unter diesem Problem, sagte der Referent. Hier hilft konsequentes Abnehmen. Tatsächlich besserten sich beispielsweise bei Betroffenen mit Psoriasisarthritis bei unveränderter Medikation DAPSA, DAS28-CRP und der HAQ allein durch die Gewichtsabnahme.
* https://www.frontiersin.org/journals/medicine/articles/10.3389/fmed.2024.1421328/full
** https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/jcsm.13533
Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2024