Umgang mit der Tabakindustrie Keine Gelder annehmen und Interessenkonflikte aufdecken
Schon seit Jahrzehnten versuchen Vertreter der Tabakindustrie, Zweifel an der Schädlichkeit ihrer Produkte zu säen. Bemühungen zum Schutz der Wissenschaft vor Einmischung reichen bisher nicht aus, erklären Fachleute in einem Positionspapier, das unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) entstand. Insgesamt 16 Fachgesellschaften und Organisationen, darunter die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Okologie (DGHO) und die Deutsche Krebsgesellschaft, beteiligten sich.
Das Positionspapier enthält drei zentrale Empfehlungen für wissenschaftliche Fachgesellschaften zum Umgang mit den Vertretern der Tabakindustrie:
- Ablehnung aller Geld- und Sachzuwendungen von dieser Seite
- keine Kooperation mit Personen, die von der Tabakindustrie gefördert werden oder deren Interessen fördern
- Offenlegung gegenwärtiger und früherer Beziehungen zu Tabakunternehmen
Die Verfasser beziehen dies explizit auch auf Produzenten und Vermarkter von E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Nikotinpouches. „Die neuen Nikotinprodukte fordern das Gesundheitssystem in vielfältiger Weise heraus“, argumentiert Prof. Dr. Stefan Andreas, Lungenfachklinik Immenhausen. Die jüngsten Bestrebungen der Tabakindustrie konzentrieren sich unter Schlagworten wie „Harm Reduction“ darauf, diese als weniger schädliche Alternative zu klassischen Zigaretten darzustellen. Diese Strategie trägt Fachleuten zufolge dazu bei, die Regulierungsbehörden abzulenken und Abkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums zu unterlaufen. Zudem vermischten neu geschaffene Begrifflichkeiten verschiedene Schadensstufen und -arten.
Auch die Wissenschaft selbst wird beeinflusst: So fanden sich in Publikationen ohne finanziellen Interessenkonflikt zu 95 %, aber in Untersuchungen mit Interessenkonflikt nur zu 39 % schädliche Substanzen oder Effekte bei E-Zigaretten. Daten aus Studien, die von der Tabakindustrie selbst finanziert wurden, wiesen dies sogar nur in 7,7 % der Fälle nach. Nicht alle Personen und Gruppen, die Vorteile von E-Zigaretten vertreten, geben jedoch diesbezügliche Beziehungen offen an. Dies gilt teilweise sogar für Publikationen.
Grenze zu Medizinprodukten soll verschwimmen
Hinzu kommen Bemühungen, die Grenze zwischen kommerziellen Zigarettenalternativen der Tabakindustrie und medizinischen Nikotinersatzpräparaten zu verwischen. Im Rahmen der sogenannten „pharmaceutilisation“ erwerben beispielsweise Tabakunternehmen Hersteller medizinischer Produkte. „Mit unserem gemeinsam erarbeiteten Kodex möchten wir diesen Strategien effektiv begegnen. Er leistet einen wichtigen Beitrag dazu, die Wissenschaft vor Einflussnahme durch die Tabakindustrie besser zu schützen“, betont DGP-Präsident Prof. Dr. Wolfram Windisch von der Universität Witten/Herdecke. Letztere dürfe Medizinerinnen und Medizinern nicht egal sein.
Quelle: Positionspapier „Kodex zum Umgang mit der Tabak- und Nikotinindustrie – Handlungsimpuls für wissenschaftliche Fachgesellschaften“, Pneumologie 2024; doi: 10.1055/a-2445-4286