Frauenherzen leiden unter Gender-Gap Keine Kompromisse bei der kardiovaskulären Sekundärprävention eingehen

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Dies hat viel damit zu tun, dass einschlägige Leitlinien zu Diagnostik und Therapie primär auf Daten aus männlichen Kollektiven basieren. Dies hat viel damit zu tun, dass einschlägige Leitlinien zu Diagnostik und Therapie primär auf Daten aus männlichen Kollektiven basieren. © olmax1975 - stock.adobe.com

Ischämische Herzerkrankungen bei Frauen unterscheiden sich pathogenetisch und in der klinischen Symptomatik von denen bei Männern. Patientinnen werden deshalb oft weniger ernst genommen. Außerdem erhalten sie seltener eine effektive Sekundärprävention. 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen als Todesursache mit über 30 % an erster Stelle. Dabei gibt es auch kaum einen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Während die Prävalenz dieser Erkrankungen bei Männern ab einem Alter von 40 Jahren zu steigen beginnt, setzt diese Zunahme bei Frauen etwa 10 bis 15 Jahre später ein. Im klinischen Verlauf und in der Prognose allerdings sind Frauen deutlich schlechter dran, wie Prof. Dr. Martin Merkel, Endokrinologikum Hamburg, in einem aktuellen Artikel ausführte. Dies hat viel damit zu tun, dass einschlägige Leitlinien zu Diagnostik und Therapie primär auf Daten aus männlichen Kollektiven basieren.

Statt Thoraxschmerzen bei Infarkt eher Angst und Luftnot

Dabei sehen schon die klinischen Symptome eines Herzinfarkts bei Frauen anders aus als bei Männern. Häufiger leiden sie unter gastrointestinalen Beschwerden, Luftnot und Angst, während die klassischen thorakalen Schmerzen sich häufiger bei Männern finden. Das heißt, dass bei Frauen oft gar nicht an einen Herzinfarkt gedacht wird. Somit unterbleibt auch eine Diagnostik in diese Richtung. 

Unterschiede gibt es auch in der Rolle modifizierbarer Risikofaktoren. Depression, Stress und Erschöpfung haben bei Frauen mehr Gewicht als bei Männern. Auch Rauchen und Diabetes mellitus gelten im weiblichen Geschlecht als stärkere Risikofaktoren. Das HDL-Cholesterin liegt bei Frauen vergleichsweise hoch. Deshalb ist der immer noch häufig zur Risikoeinschätzung verwendete LDL/HDL-Quotient irreführend, zumal HDL-Cholesterinwerte über 60 mg/dl keinen zusätzlichen Schutz bringen. Frauentypische Erkrankungen wie Gestationsdiabetes und polyzystisches Ovarialsyndrom sowie eine vorzeitige Menopause können das kardiovaskuläre Risiko zusätzlich steigern. 

Frauen erhalten seltener eine notwendige Statintherapie

Das Management kardiovaskulärer Risikofaktoren hat zu einem Rückgang herzbedingter Morbidität und Mortalität geführt. Doch Daten zur Umsetzung der Sekundärprävention in der Realität zeigen, dass es noch viel Luft nach oben gibt, insbesondere bei Frauen. Männern wird bei entsprechender Lipidkonstellation häufiger eine Statintherapie angeboten als Frauen. Nach einer amerikanischen Registerstudie erhielten 78 % der Männer, aber nur 57 % der Frauen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko eine Statintherapie. Meistens waren es Patientinnen, denen eine solche Therapie niemals angeboten wurde. Allerdings lehnten sie eine Statintherapie auch häufiger ab und beendeten sie doppelt so oft vorzeitig, meist wegen Nebenwirkungen. Aus diesen Gründen erreichen Frauen die Cholesterinzielwerte noch seltener als Männer. In der EUROASPIRE-Studie mit Patientendaten zur kardiovaskulären Sekundärprävention nach einem kardiovaskulären Ereignis hatten 22 % der Frauen und 31 % der Männer ein LDL-Cholesterin im Zielbereich.

Auch bei sportlichen Aktivitäten und Gewichtsreduktion können Frauen nicht mit dem männlichen Geschlecht mithalten. Teilweise ausgeglichen wird dies durch eine höhere Erfolgsrate bei der Nikotinkarenz und bei der Blutdruckeinstellung. Geschlechtsspezifische Aspekte müssen in Diagnostik, Prävention und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen stärker berücksichtigt werden, resümierte Prof. Merkel.

Quelle: Merkel M. Gynäkologie 2024; 57: 454-459;  DOI: 10.1007/s00129-024-05243-9