Brustkrebs KI-gestützte Beurteilung könnte die Zweitmeinung meist ersetzen

Autor: Lara Sommer

KI gestützte Mammogramme können die Arbeitslast der Radiolog:innen um fast die Hälfte reduzieren. KI gestützte Mammogramme können die Arbeitslast der Radiolog:innen um fast die Hälfte reduzieren. © mindscapephotos – stock.adobe.com

Eine Vorbewertung von Mammogrammen durch KI reduzierte die Arbeitslast der Radiolog:innen um fast die Hälfte. Die Qualität der Ergebnisse schien nicht darunter zu leiden.

Obwohl die europäischen Leitlinien für das Mammografie-Screening eine doppelte Kontrolle der Aufnahmen vorsehen, fehlt es vielerorts an qualifizierten Radiolog:innen. Schwedische Wissenschaftler:innen untersuchten nun, ob eine Vorselektion durch künstliche Intelligenz eine Alternative darstellt.1 Dabei wurden Befunde nach einer ersten Evaluation durch die KI entweder von einem (Risikoscore 1–9) oder zwei (Score 10) menschlichen Expert:innen begutachtet. Außerdem kann das Programm krebsverdächtige Bildelemente markieren, um die Analyse zu erleichtern.

In Kohorten mit jeweils mehr als 40.000 Teilnehmenden wurden durch das KI-gestützte Auswertungsverfahren 20 % mehr Krebsfälle entdeckt als durch das konventionelle Vorgehen. Dies entsprach einer zusätzlichen Diagnose je 1.000 untersuchter Personen. Gleichzeitig blieb die Zahl der falsch-positiven Ergebnisse stabil.

Eine deutliche Entlastung

Die Radiolog:innen in der KI-Gruppe mussten insgesamt 44 % weniger Bilder beurteilen als im Kontrollarm. Auch die Erst­autorin Prof. Dr. Kristina Lång von der Universität Lund, Malmö, sieht das größte Potenzial in der reduzierten Arbeitsbelastung: „Unser KI-unterstütztes Screeningsystem könnte möglicherweise für die Mehrheit der Mammogramme die Notwendigkeit beseitigen, diese doppelt zu begutachten.“ Das ermögliche es den Fachleuten, sich auf komplexere Diagnostik zu konzentrieren und reduziere gleichzeitig die Wartezeit für Patient:innen. 

Trotz dieser Interimsergebnisse steht erst in mehreren Jahren fest, ob eine Beurteilung der Aufnahmen mittels Algorithmen tatsächlich die Zahl der Intervallkarzinome reduziert. Dr. Nereo ­Segnan, ehemaliger Direktor der Screeningabteilung am CPO Piemonte, Turin, warnte in einem Kommentar, dass das Verfahren eventuell zu einer Überdiagnostik oder einem vermehrten Nachweis indolenter Läsionen führen könnte.2 Deshalb sei es wichtig, neben der reinen Detektionsrate biologische Informationen der entdeckten Tumoren auszuwerten.

Quellen:
1.    Lång K et al. Lancet Oncol 2023; 24: 936-944; DOI: 10.1016/S1470-2045(23)00298-X 
2.    Segnan N, Ponti A. Lancet Oncol 2023; 24: 830-832; DOI: 10.1016/S1470-2045(23)00336-4