Anzeige

Schmerzquelle Morton-Neurom Knotenbildung als Antwort auf falsches Schuhwerk

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Histopathologisch sieht man beim Morton-Neurom die Fibrose rund um die betroffenen interdigitalen Nerven. Histopathologisch sieht man beim Morton-Neurom die Fibrose rund um die betroffenen interdigitalen Nerven. © wikimedia/Marvin 101
Anzeige

Enge Schuhe, hohe Absätze oder ständige starke Belastung nehmen Füße auf Dauer übel. Eine mögliche Folge: das Morton-Neurom. Kleinere Exemplare lassen sich gut konservativ behandeln, doch schon ab etwa 6 mm Größe ist meist der Chirurg gefragt.

Am Morton-Neurom erkranken Frauen viermal häufiger als Männer, mutmaßlich weil sie oft enge Schuhe mit hohen Absätzen tragen. Dadurch steigt der Druck auf den Fußballen. Auch Deformitäten wie der Hallux valgus, rheumatische Erkrankungen oder hohe Belastung der Füße gelten als Risikofaktoren, schreibt der Algesiologe Dr. ­Heinrich ­Binsfeld aus Drensteinfurt. 

Die genaue Ätiologie des Morton-Neuroms kennt man noch nicht, vermutet werden chronische Mikrotraumata der Nn. digitales communes. Es kommt zu einer Kompression dieser Nerven zwischen zwei Mittelfußköpfen und den Zehengrundgelenken. Die anhaltende Reizung führt zu einer Wucherung der Nervenhülle (Schwann-Zellen) und des umgebenden Gewebes im Sinne einer Schleimbeutelentzündung. Es handelt sich somit um eine Fibrose, nicht um ein echtes Neurom, erklärt der Kollege. Mehrheitlich betroffen ist der Intermetatarsalraum zwischen dem dritten und vierten Zeh (68 %). 

Die Patienten klagen vor allem über Kribbeln, heftiges Brennen und stromschlagartige Schmerzen, die in die Zehen einschießen. Zusätzlich bestehen häufig Sensibilitätsstörungen sowie eine druck- und belastungsbedingte Algesie. Letztere wird bei Sportarten wie Laufen, Tanzen und Ballett verstärkt. Ruhe- und Anlaufschmerzen sind hingegen eher ein Ausschlusskriterium. Typischerweise bessern sich die Symptome, wenn der Patient die Schuhe auszieht oder sehr weite Modelle trägt. 

In der körperlichen Untersuchung fällt meist ein gut lokalisierbarer druckschmerzhafter Punkt im Bereich des betroffenen Zehenzwischenraums auf. Der typische Schmerz lässt sich durch Palpation des Interdigitalraums mit Daumen und Zeigefinger (Klingelknopfzeichen) bei gleichzeitig seitlicher Kompression des Vorfußes (Gaenslen-Zeichen) auslösen. Der (zufällige) Nachweis in der MRT hat nur im Zusammenhang mit passenden Beschwerden Bedeutung. Als relevant gelten Morton-Neurome ab einem Durchmesser von etwa 5 mm. Bei sehr kleinen Knötchen (< 4 mm) liegt die Treffsicherheit einer Neurosonografie höher als die der MRT. 

Das gehört zur Spiraldynamik-Physiotherapie

  • passive Mobilisation des Vorfußes
  • Platz schaffen zwischen den Mittelfußknochen
  • das Vorfuß-Quergewölbe aufbauen
  • die Wadenmuskulatur exzentrisch trainieren

Die Therapie sollte primär konservativ erfolgen. Grundlage ist es, begünstigende Faktoren wie unpassendes Schuhwerk zu vermeiden. Die Schuhe sollten weit sein, feste und leichte Sohlen unterstützen die natürliche Abrollbewegung. Eine Antischmerzeinlage nimmt den Druck von den Nerven und mindert die Inflammation. 

Auch eine Physiotherapie hilft, am besten mit der Spiraldynamik-Technik, die auf eine optimale Verteilung der Belastung abzielt (siehe Kasten). Für die fokussierte Stoßwellenbehandlung konnte in Studien ebenfalls eine Schmerzlinderung gezeigt werden. Als begleitende Maßnahme eignet sich das Taping, es soll vor allem den Vorfuß entlas­ten. Bei größeren Neuromen lässt sich mit der lokalen Injektion von Kortikosteroiden und Lokalanästhetika eine Schmerzreduktion um bis zu 80 % erreichen. 

Dekompression gelingt oft nervenerhaltend

Ab einem Neuromdurchmesser von 6–7 mm muss man unter konservativer Therapie in den meisten Fällen mit rezidivierenden Beschwerden rechnen und es empfiehlt sich eine OP. Nervenerhaltend kann eine offene oder endoskopische Dekompression durchgeführt werden. Sie führt in etwa 80 % der Fälle zur Beschwerdebesserung. Bei sehr großen Wucherungen bleibt nur die Resektion. Vorab muss der Patient aber aufgeklärt werden, dass als unerwünschte Folge eine Taubheit an der Innenseite der Zehen fortbestehen kann. Eine Linderung der Beschwerden gelingt durch die Resektion bei bis zu 88 % der Betroffenen.

Quelle: Binsfeld H. Schmerzmedizin 2023; 39: 30-33; DOI: 10.1007/s00940-023-4302-2