Herzkranzgefäße Kranke Koronarien ohne Kalk
Über anomal verlaufende Koronarien berichtete Prof. Dr. Dr. Christoph Graeni, Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital Bern. Die Prävalenz liegt bei etwa 3 %, durch zunehmenden Einsatz von MRT und CT dürfte sie aber ansteigen. Ein Teil dieser Aberrationen entspringt aus dem gegenüberliegenden Sinus (anomalous coronary artery from the opposite sinus, ACAOS). Meist handelt es sich bei ACAOS um Zufallsbefunde, doch es gibt Varianten mit hohem Risiko für Ischämie oder plötzlichen Herztod.
Als maligne gelten z.B. solche mit einem interarteriellen Verlauf zwischen Pulmonalarterie und Aorta. Und besondere Gefahr geht laut Prof. Graeni von intramuralen ACAOS aus, deren proximaler Teil durch die Tunica media der Aortenwand führt. Unter Belastung kommt es bei ihnen zu einer lateralen Kompression.
Invasive Ischämietests oft sinnvoll
Die Computertomografie ist eine gute Option, um die Veränderungen zu entdecken. Mit dynamischer Bildgebung lässt sich unterscheiden, ob eine Minderdurchblutung KHK- oder anomaliebedingt ist. Allerdings gibt es dazu noch nicht genügend Daten, sodass es oft sinnvoller scheint, invasive Ischämietestungen mit Dobutamin oder Adenosin durchzuführen.
Die nächste Pathologie stellten Prof. Dr. Franz Robert Eberli vom Stadtspital Triemli in Zürich und Prof. Dr. Kelley Branch vom University of Washington Medical Center in Seattle vor: koronare Fisteln. Wie Prof. Eberli berichtete, sieht man diese – kongenital oder erworben – in Angiografien mit einer Prävalenz von 0,1–0,3 %, in CTs zu 0,9 %. Nach Angaben von Prof. Branch entspringen sie etwa gleich häufig der rechten und linken Koronarie, 90 % drainieren ins rechte Herz. Als Ursachen für erworbene Fisteln nannte er Traumata, Infektionen, invasive Prozeduren oder Tumoren.
Betroffene Patienten können völlig beschwerdefrei sein, erklärte Prof. Eberli. Ansonsten führt unter den Symptomen der Brustschmerz (50 %) gefolgt von Dyspnoe (33 %) und Palpitationen (12 %). Selten kommt es zu Synkopen (3 %) oder Fieber (2 %).
Kleine Fisteln verschließen sich i.d.R. spontan
Ziel der Bildgebung sollte es sein, Anzahl, Ursprung, Verlauf, Drainage, Größe und Morphologie der Fisteln darzustellen sowie mögliche Komplikationen wie eine Ventrikelvergrößerung oder pulmonale Hypertonie nachzuweisen. Zudem will man auch extrakardiale Strukturen sehen und ggfs. weitere (kongenitale) Herzerkrankungen entdecken. „Das schafft kein Verfahren alleine, wir müssen CT-/MR-Angiografie, Echo, Angio und den Rechtsherzkatheter ergänzend benutzen“, sagte Prof. Eberli.
Große und mittelgroße Fisteln sollten perkutan oder offen chirurgisch versorgt werden, sofern sie mit Symptomen einhergehen. Kleine Fisteln verschließen sich im Verlauf i.d.R. spontan. Mittelgroße neigen unabhängig von Beschwerden vor allem bei Kindern und jungen Erwachsenen zu weiterem Wachstum mit dadurch steigendem Shuntvolumen und werden daher gerne generell operiert. Ansonsten gelten als Indikationen für den Verschluss:
- kongestive Herzinsuffizienz durch Volumenüberlastung
- koronares Steal-Syndrom mit konsekutiver myokardialer Ischämie
- Endokarditis, Endarteriitis
- Vorhofflimmern und andere Arrhythmien
- Fistelruptur
- vorzeitige Atherosklerose
- Thrombose/Embolie
Prof. Dr. Andreas Baumbach vom Heart, Vascular and Thoracic Institute an der Cleveland Clinic in London widmete sich der spontanen Koronararteriendissektion (spontaneous coronary artery dissection SCAD). Sie betrifft zu 87–95 % Frauen in einem Durchschnittsalter von 44–53 Jahren. Bei Frauen unter 50 Jahren ist sie eine häufige Ursache für ein akutes Koronarsyndrom, erläuterte Prof. Baumbach: 35 % der Ereignisse in dieser Altersgruppe werden ihr zugeordnet.
In der Regel haben die Betroffenen weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren, mit Ausnahme von Hypertonie und Hyperlipidämie. Die genauen Ursachen kennt man nicht, es bestehen Assoziationen zu Schwangerschaft, Migräne, fibromuskulären Dysplasien und Kollagenosen. Möglicherweise spielt auch die Genetik eine gewisse Rolle.
Hohes Rezidivrisiko nach Koronardissektion
Der Nachweis der Dissektion gelingt meist in der Koronarangio. Eine Intervention sollte dann aber vermieden werden, durch sie kann sich das Hämatom ausbreiten. Betrifft die SCAD den linken Hauptstamm, empfiehlt sich ein koronarer Bypass. Ansonsten erfolgt die Therapie über Modifikation möglicher Risikofaktoren, eine etwaige Antikoagulation sollte gestoppt werden. Die Rolle von Betablockern, die Vorteile zu bieten scheinen, wird aktuell in einer Studie erneut untersucht.
Die Mortalität der SCAD ist mit etwa 1 % nicht hoch, dafür liegt das Rezidivrisiko bei 10–30 %. Wird eine Patientin, die eine spontane Dissektion erlitten hatte, schwanger, sollte sie von einem multidisziplinären Team betreut werden. Denn es besteht ein unvorhersehbares Rezidivrisiko peri- und postpartal.
Kongressbericht: ESC* Congress 2022
* European Society of Cardiology