Arthrose Krankheitsmodifikation ist noch Zukunftsmusik
Schmerzen, Funktionseinschränkungen und Behinderung sind mögliche Folgen der Arthrose. Strukturelle Veränderungen (siehe Kasten), die auf die Erkrankung hinweisen, findet man häufig auch bei asymptomatischen Personen, was die Unterscheidung zwischen Krankheit und normalen Alterungsvorgängen manchmal erschwert, schreibt Prof. Dr. Martin Englund von der Universität Lund. Die Arthrose ist häufig mit Komorbiditäten assoziiert. Dazu zählen Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen und depressive Symptome.
Was genau passiert im Gelenk?
Kennzeichen der Arthrose sind Zellstress und ein Abbau der extrazellulären Matrix, ausgelöst durch Mikro- und Makroverletzungen. Diese aktivieren dysfunktionale Reparaturmechanismen, wobei auch proinflammatorische Signalwege der angeborenen Immunantwort im Spiel sind.
Die Erkrankung manifestiert sich zunächst in Form eines abnormen Stoffwechsels der verschiedenen artikulären Gewebe, gefolgt von anatomischen und/oder physiologischen Veränderungen wie:
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Knorpelabbau
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Knochenumbau
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Osteophytenbildung
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Gelenkinflammation
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Verlust der normalen Gelenkfunktion
Lange Zeit galt die Arthrose als eine reine „Verschleißerkrankung“. Doch die Sache ist komplizierter: In den Frühstadien zeigt sich eine niedriggradige Entzündung.
Entzündungshemmer meist wirkungslos
Einige der dabei ausgeschütteten Zytokine sind direkt oder indirekt mit dem Knorpelabbau assoziiert. Allerdings brachten antiinflammatorische Therapien in Anlehnung an die Therapie bei rheumatoider Arthritis nicht den erhofften Erfolg. Nach Ansicht des Autors liegt dies daran, dass biomechanische Faktoren, wenngleich nicht der alleinige Auslöser, zumindest erheblich zur Entstehung und Progression der Arthrose beitragen.
Seit Jahren werden Arthrosen der peripheren Gelenke mit Patientenedukation, Lebensstilmodifikation (Gewichtsmanagement, Bewegung) und topischen NSAR behandelt. Reicht das nicht aus, kommen orale NSAR bzw. Cox-2-Hemmer oder auch Orthesen zum Einsatz. Bleiben die Beschwerden bestehen, lässt sich die Therapie auf intraartikuläre Injektionen (meist Kortikosteroide) oder – insbesondere bei depressiven Symptomen – orales Duloxetin eskalieren. Opioide sollten wegen der limitierten Wirkung und der möglichen Nebenwirkungen zurückhaltend eingesetzt werden.
Als Ultima Ratio bleiben Gelenkersatzoperation oder (bei bestimmten Formen der Gonarthrose) Osteotomie. In letzter Zeit erfreuen sich experimentelle Therapieansätze, die auf der Anwendung von Stammzellen oder plättchenreichem Plasma beruhen, zunehmender Beliebtheit. In den meisten Leitlinien werden diese jedoch aufgrund der begrenzten Evidenz noch nicht empfohlen.
Eine biologische Heilung der Arthrose ist nach Einschätzung von Prof. Englund derzeit nicht in Sicht. Aber ein besseres Verständnis der verschiedenen Arthrose-Endotypen werde neue molekulare Zielstrukturen für frühere und effektivere Interventionen ermöglichen. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die meisten Menschen mit Arthrose weiterhin lernen müssen, mit milden Symptomen umzugehen und sich über Lebensstilveränderungen und Gewichtsmanagement an die Krankheit anzupassen.
Gelenkhomöostase als therapeutisches Ziel
Verschiedene mechanistische Endo- und Phänotypen der Arthrose erschweren die Entwicklung krankheitsmodifizierender Therapien. Die Forschung legt den Fokus derzeit auf die Inhibition kataboler Faktoren oder die Stimulation anaboler Faktoren, um die Gelenkhomöostase wiederherzustellen. Jedoch erzielten die bisherigen Wirkstoffkandidaten noch keinen Durchbruch in klinischen Phase-3-Studien.
In den nächsten zehn Jahren werden wir höchstwahrscheinlich aber eine steigende Zahl krankheitsmodifizierender Wirkstoffe erleben, die auf verschiedene Gelenkstrukturen wie Knorpel, Knochen oder Synovia abzielen, hofft Prof. Englund. Jede kosteneffektive und sichere Option, die das Risiko einer strukturellen und symptomatischen Progression der Arthrose reduzieren kann, sei willkommen.
Mit Spannung erwartet er neue Fortschritte der Grundlagenforschung zu Alterungsvorgängen. Diese könnten auch komplett neue Möglichkeiten eröffnen, beispielsweise Strategien, die auf den Verlust epigenetischer Informationen abzielen. Damit ließen sich Alterungsprozesse und auch chronische Erkrankungen, die stark mit dem Altern assoziiert sind, ausbremsen.
Quelle: Englund M. J Intern Med 2023; 293: 681-693; DOI: 10.1111/joim.13634