Deutschland LDL-Cholesterin nur bei jedem Fünften mit sehr hohem Risiko ausreichend gesenkt
Das kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit Dyslipidämie wird in Deutschland unterschätzt. Zudem werden trotz Therapie die LDL-C-Zielwerte bei der Mehrheit der Patienten nicht erreicht. Das fand ein Forscherteam um Dr. Paulina Stürzebecher von der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig heraus.
Die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) empfehlen LDL-Cholesterin-Zielwerte in Abhängigkeit vom Grad der Herz-Kreislauf-Gefährdung: Bei Personen mit hohem Risiko sollen weniger als 70, bei Personen mit sehr hohem Risiko dagegen weniger als 55 mg/dl angestrebt werden.
Zu niedrige Bewertung des Herz-Kreislauf-Risikos
Die europaweite SANTORINI-Beobachtungsstudie prüfte, wie gut diese Empfehlungen in der Praxis umgesetzt werden, erläutert Dr. Stürzebecher. Es nahmen 9.602 Erwachsene mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulären Risiko teil, die eine lipidsenkende Therapie benötigten. 2.296 Patienten kamen aus Deutschland, die übrigen aus 13 anderen europäischen Ländern. Größtenteils beurteilten die Behandelnden das kardiovaskuläre Risiko der Teilnehmenden auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien von 2019. In Deutschland stuften sie es in rund 84 % der Fälle als „sehr hoch“ und in 16 % der Fälle als „hoch“ ein. Eine unabhängige Nachberechnung ergab allerdings sogar in 95 % der Fälle ein sehr hohes und in 4 % ein hohes Risiko, so Dr. Stürzebecher. Im europäischen Vergleich wurde das Risiko ebenfalls in etwa 10 % der Fälle unterschätzt.
Auch das therapeutische Management erwies sich als ernüchternd: Trotz lipidmodifizierender Medikation verfehlten in Deutschland 81 % der Teilnehmer mit sehr hohem und 73 % derjenigen mit hohem Risiko den LDL-C-Zielwert. Im europäischen Vergleich sah es ein wenig besser aus (67 bzw. 74 %).
Deutschland liegt sowohl was das Erreichen der LDL-Zielwerte angeht als auch beim Einsatz einer Kombitherapie unter dem europäischen Durchschnitt, bemängeln die Forscher. Hier besteht dringender Optimierungsbedarf, unterstreichen sie.
Quelle: Stürzebecher PE et al. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 55-64; DOI: 10.1055/a-2009-5077