Präkonzeptionelle Asthmatiker Lebenswandel in jungen Jahren ruiniert Lungengesundheit künftiger Kinder
Untersuchungen am Tiermodell haben ergeben, dass Umweltfaktoren epigenetische Veränderungen in den Keimbahnzellen auslösen, die Krankheiten fördern und über Generationen weitervererbt werden können. Bisher war man davon ausgegangen, dass das Schadpotenzial, das eine elterliche Exposition für die Gesundheit des künftigen Nachwuchses mit sich bringt, insbesondere von der Dosis abhängt. Inzwischen wächst jedoch die Erkenntnis, dass auch der Zeitpunkt maßgeblichen Einfluss hat.
Beim Tabakkonsum beschränkt sich der väterliche Einfluss auf die respiratorische Gesundheit späterer Kinder nicht aufs Passivrauchen. Der wesentliche Risikofaktor scheint der Nikotinkonsum vor der Zeugung eines Kindes zu sein. Dieser ist möglicherweise sogar wirksamer als eine die Exposition der werdenden Mutter während Schwangerschaft, schreibt das Autorenteam um Dr. Cecilie Svanes von der Universität Bergen. Als kritische Phase gilt die frühe Jugend des Vaters – ein präpubertärer Tabakkonsum der späteren Mutter hat hingegen offenbar keinen negativen Effekt. Unstrittig bleibt, dass Rauchen während der Schwangerschaft schädlich für das werdende Leben ist. Und man kann in mütterlicher Linie offenbar zudem noch eine Generation zurückgehen: Auch die Exposition der späteren Mutter in utero – etwa durch eine rauchende Großmutter – ist mit Asthma beim Enkelkind assoziiert. Die stärkere Wirkung väterlicher Sünden könnte dadurch zustande kommen, dass sich die männlichen Gameten während der Reifung wesentlich häufiger teilen als ihre weiblichen Pendants und dadurch anfälliger für Umwelteinflüsse sind, spekulieren die Autoren.
Studienergebnisse zum Einfluss von Luftverschmutzung und beruflicher Exposition weisen in dieselbe Richtung wie jene zum Tabakrauch. Man kann also davon ausgehen, dass eine längere Lebensphase in stark belasteter Atemluft negative Auswirkungen auf die respiratorische Gesundheit späterer Nachkommen hat. Für die Luftverschmutzung liegt das Zeitfenster in der Kindheit und Jugend, für die berufliche Belastung ist das junge Erwachsenenalter bedeutsam. Hat der Vater z.B. zehn oder mehr Jahre vor der Zeugung als Schweißer gearbeitet, so verdoppelte dies in einer Studie das Asthmarisiko des Nachwuchses. Die Autoren fordern mehr Forschung zur potenziell keimbahnschädigenden Wirkung von Arbeitsstoffen. Bisher ist eine derartige Dokumentation für Substanzen, die neu auf den Markt kommen, nicht vorgeschrieben.
Auch Übergewicht spielt für die Asthmaentwicklung späterer Generationen eine wichtige Rolle. Verschiedene Literaturquellen kommen überein, dass Extrapfunde während der Kindheit und/oder Adoleszenz von späteren Vätern wahrscheinlich einen wichtigen, eventuell sogar kausalen Risikofaktor für die obstruktive Lungenerkrankung des Nachwuchses darstellen. Die Ergebnisse waren unabhängig vom Studiendesign, auch spielte ein etwaiges Übergewicht des Nachwuchses keine Rolle. Das stützt die Annahme, dass es sich um einen Einfluss der Keimzellen und nicht um eine genetische Vererbung handelt. Für Frauen konten derartige Assoziationen nicht gezeigt werden.
Zur Bedeutung von hormonellen Einflüssen auf die kindliche Lungengesundheit gibt es bisher nur wenig Daten. Zwei Untersuchungen beschäftigten sich mit der oralen Kontrazeption vor der Zeugung. Die erste Studie fand Asthma, Giemen und Rhinitis im Alter von fünf Jahren vermehrt bei Kindern, deren Mütter vor der Konzeption die Pille genommen hatten. Die zweite Arbeit ermittelte bei Kindern unter drei Jahren keinen Einfluss durch kombinierte Kontrazeptiva, wohl aber eine schwache Assoziation mit reinen Gestagenpräparaten.
Auch die Evidenzlage zu den Auswirkungen von präkonzeptionellen Infektionen auf die Lungengesundheit der Nachkommen ist dürftig. In einer Kohortenstudie zu Wurmerkrankungen war die elterliche Seropositivität für Toxocara mit dem vermehrten Auftreten von Asthma und Allergien verbunden. Eine zweite Arbeit ergab, dass der Nachwuchs von Eltern, die in ihrer Kindheit eine Tuberkulose durchgemacht hatten, vermehrt Antiasthmatika benötigte.
Die ermittelten Zusammenhänge zeigen, wie stark Lebensstil und Verhaltensweisen in jungen Jahren die Gesundheit des künftigen Nachwuchses beeinflussen können. Diese Erkenntnis eröffnet u.a. neue Perspektiven für die Einschätzung der Pathogenese von Asthma bronchiale. Außerdem ermöglicht sie eine gezielte Prävention, die schon vor der Pubertät beginnen sollte – zum eigenen Nutzen und zum Vorteil folgender Generationen.
Quelle: Svanes C et al. J Intern Med 2023; 293: 531-549; DOI: 10.1111/joim.13611