Hypotension Liquorlecks aufspüren und verschließen
Eine intrakranielle Hypotension wird „spontan“ genannt, wenn die Ursache des Liquordruckabfalls (z.B. nach einer Lumbalpunktion oder Spinalanästhesie) erst einmal nicht bekannt ist, schreibt Dr. Wouter I.Schievink von der Abteilung für Neurochirurgie am Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles, USA, in einem Review. Die jährliche Inzidenz wird auf 4–5 Fälle auf 100.000 Personen geschätzt – am häufigsten sind Frauen zwischen 35 und 55 Jahren betroffen.
Die häufigste identifizierbare Ursache für eine spontane intrakranielle Hypotension ist ein Leck im Bereich der Wirbelsäule. Dies kann z. B. durch lineare Risse in der Dura ventral oder posterolateral von der Wirbelsäule bedingt sein. Ein Liquorleck entsteht aber auch durch einfache meningeale Divertikel bzw. diffuse Dilatationen des Duralsacks, wie man sie bei der ankylosierenden Spondylitis findet. Eine dritte, eher seltene Ursache sind Fisteln zwischen dem Liquorraum und venösen Gefäßen.
Das Kardinalsymptom des intrakraniellen Druckabfalls sind holocephale oder bilateral subokzipitale Kopfschmerzen, die sich im Stehen verstärken und im Liegen zurückgehen (orthostatischer Kopfschmerz). Normalerweise tritt der Schmerz eine bis mehrere Minuten nach dem morgendlichen Aufstehen auf, manchmal aber auch erst um Stunden verzögert („Zweite-Hälfte-des-Tages- Kopfschmerz“). Selten ist der Kopfschmerz auch unabhängig von der Körperposition oder verstärkt er sich im Liegen.
Weitere häufiger auftretende neurologische Manifestationen sind gedämpftes Hören, pulsatiler Tinnitus oder Hörverlust. Einige Patienten klagen auch über Nackenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen oder Photo- und Phonophobie, was zur Fehldiagnose einer Meningitis oder Migräne führen kann.
Sehr selten berichten Betroffene auch über ein Druckgefühl oder Parästhesien im Gesicht, Diplopie, Tremor, Fatigue, Konzentrations- oder Wortfindungsstörungen. Noch seltener kommt es durch die Verlagerung von Mittel- und Stammhirn nach kaudal zu einem Koma. Typisch wäre hier, dass Patienten in der Trendelenburglage wieder aufklaren.
Die Diagnose erfolgt nach den modifizierten ICHD-III-Kriterien für die spontane intrakranielle Hypotension. Dazu gehören der Nachweis eines bei Lumbalpunktion reduzierten Liquordrucks oder typische Hinweise im gadoliniumverstärkten MRT. Etwa 20 % der betroffenen Patienten haben ein unauffälliges MRT. Doch in den meisten Fällen lässt sich das Liquorleck lokalisieren – dies hängt aber auch von der Gründlichkeit der Untersu chung ab.
Bei leichten Symptomen konservative Maßnahmen
Randomisierte kontrollierte Studien zur Therapie der spontanen intrakraniellen Hypotension sucht man vergebens. Bei leichten Symptomen kann man es für einige Tage oder Wochen mit konservativen Maßnahmen versuchen. Dazu gehören Bettruhe, hohe Flüssigkeitszufuhr, Koffeingabe und Anlage einer Bauchkompresse. Führt dies alles nicht zum Erfolg, empfiehlt sich ein epidurales Blutpflaster.
Dabei wird aus der Vene entnommenes Blut in den Epiduralraum der Lendenwirbelsäule gespritzt. Bei einigen Patienten kommt es allein schon durch das epidurale Hämatom zu einem Druckanstieg – bei anderen dichtet wahrscheinlich ein Fibrinpfropf den Riss ab. Eine genaue Lokalisation des Lecks ist dazu in der Regel nicht erforderlich. Die meisten Patienten brauchen nur ein bis zwei solcher Behandlungen, um von ihren Beschwerden befreit zu werden.
Persistieren die Symptome auch danach noch, sollte dann doch eine genauere Lokalisation des Lecks mittels digitaler Subtraktions-Myelographie oder CT-Myelographie erfolgen. Die dabei gefundenen Lecks können dann direkt durch Blutpflaster oder Klebstoff geschlossen werden oder es erfolgt ein mikrochirurgischer Verschluss. Bei Liquor-Venen-Fisteln, kann auch eine endovaskuläre Klebstoff-Embolisation vorgenommen werden. Über die Länge der Wirksamkeit all dieser Maßnahmen ist nichts bekannt. Komplikation einer erfolgreichen Behandlung kann ein erhöhter intrakranieller Druck sein, dieser ist aber in der Regel selbstlimitierend.
Quelle: Schievink WI. N Engl J Med 2021; 385: 2173-2178; DOI: 10.1056/NEJMra2101561