Warnsignale Lokale Wundinfektionen in Schach halten

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Mit sterilen Kompressen lassen sich Wunden oberflächlich reinigen.
Mit sterilen Kompressen lassen sich Wunden oberflächlich reinigen. © Science Photo Library/Marazzi, Dr. P.

Patienten mit chronischen Wunden entwickeln häufig Superinfektionen. Diese kann man leicht übersehen. Was lässt sich tun, um das Sepsisrisiko zu vermindern? 

Eine chronische Wunde muss nicht zwingend seit bereits acht Wochen bestehen. Diabetische Fußgeschwüre, Läsionen bei PAVK, das venöse Ulcus cruris und der Dekubitus werden von Beginn an als chronisch eingestuft, erinnert Prof. Dr. Joachim Dissemond vom Universitätsklinikum Essen.

Zur Diagnostik bei Patienten mit chronischen Wunden wird wie so oft auf das Alphabet als Eselsbrücke zurückgegriffen. Der Buchstabe B dieser ABCDE-Regel steht für den routinemäßig durchgeführten Bakteriennachweis. 

ABCDE-Regel für die Wunddiagnostik

A    Anamnese
B    Bakterien
C    Klinische Untersuchung
D    Durchblutung
E    Extras

Dafür genügt aber meist ein Abstrich von der Oberfläche. Wer auf multiresistente Erreger screenen will, darf die Läsion vorher nicht generell säubern. Nur dann lässt sich das gesamte Erregerspektrum erfassen. Eine einfache Methode zur Abstrichentnahme ist der Essener Kreisel.

Besteht bereits der klinische Verdacht auf eine Infektion oder gibt es Anzeichen für eine Besiedelung mit Hefen, sollte man die Wunde vorher reinigen. Mit steriler Kochsalz- oder Ringerlösung und sterilen Kompressen lassen sich oberflächliche, nicht relevante Kontaminanten entfernen. Danach gewinnt man das zu untersuchende Material am besten über die Levine-Technik. 

Eine bioptische Abklärung ist nur bei tiefen Geschwüren, diabetischen Fußulzera, schweren Weichgewebsinfektionen und Fisteln erforderlich. Auch zur Detektion spezifischer Erreger (Mykobakterien, Leishmanien, Schimmelpilze etc.) wird die Entnahme einer Gewebeprobe empfohlen. Im Alltag kommt es bei einer Wundabklärung vor allem darauf an, eine systemische Infektion oder beginnende Sepsis nicht zu übersehen. 

Abstrichmethoden

  • Essener-Kreisel-Technik: Entnahme unter leichtem Druck von außen nach innen kreisend, um eine möglichst große Fläche zu erfassen
  • Levine-Technik: Abstrichgewinnung unter leichtem Druck aus einem 1 cm2 klinisch-infiziert wirkenden Teil der Wunde.

Sepsisverdacht rechtfertigt empirische Antibiotikagabe

Zum raschen Nachweis der Blutvergiftung eignet sich der quickSOFA-Score: Zwei der folgenden Kriterien müssen in diesem Fall zutreffen: mentale Veränderung (Glasgow Coma Scale < 15), Atemfrequenz über 22/min und/oder systolischer Blutdruck unter 100 mmHg. Eine kalkulierte systemische Antibiotikagabe lässt sich schon bei Verdacht auf eine Sepsis rechtfertigen. Oft ist auch eine intensivmedizinische Behandlung indiziert.

Zur Detektion lokaler Wundinfektionen empfiehlt Prof. Dissemond den TILI-Score. Dieser kombiniert die fünf Kardinalsymptome mit wundspezifischen klinischen Symptomen: 

  • Calor: Überwärmung 
  • Dolor: Spontan- und Druck­dolenz 
  • Tumor: Ödem, Verhärtung, Schwellung 
  • Rubor: periläsionales Erythem
  • Functio laesa in Form einer stagnierenden Wundheilung

Hinzu kommt als weiteres Kriterium die Zunahme des Exsudats bzw. die Änderung von dessen Farbe oder Geruch. Jeder Punkt für sich beweist noch keine Infektion. Laut Score ist eine antiseptische Wundheilung nur dann indiziert, wenn mindestens fünf Punkte zutreffen. Unmittelbar indiziert ist sie dagegen beim Nachweis potenziell pathogener Mikroorganismen, einer septischen chir­urgischen Wunde oder freiem Eiter. 

Um im Alltag die Patienten herauszufiltern, die noch keine Wundinfektion aufweisen, aber ein erhöhtes Risiko tragen, wurde der W.A.R.-Score entwickelt. Die Abkürzung steht für Wound at Risk. Die Behandlung dieser Patienten verläuft insofern anders, als z.B eine antibiotische Therapie frühzeitiger ­beginnt und/oder länger fortgesetzt wird. Der Score ermittelt das Risiko anhand einer Kombination von 20 exogenen und endogenen Faktoren. 

Für die lokale Wundbehandlung stehen diverse Optionen zur Verfügung, u.a. eine symptomatische, an den Phasen der Heilung orientierte, feuchte Wundtherapie (MOIST-Konzept). Für die Wundreinigung empfiehlt Prof. Dissemond Ringer- und physiologische Kochsalzlösung (nach Anbruch nicht mehr steril). Es stehen aber auch konservierte Wundspüllösungen (nach Anbruch acht Wochen nutzbar) zur Verfügung. Leitungswasser muss vorher durch einen Sterilfilter, so der Experte.

Schafft man es beim Débridement, alle avitalen Wundbestandteile zu entfernen, verschwindet damit bereits der Großteil der Bakterien. Die Wunde wird in der Folge antiseptisch behandelt, z.B. mit Wundspülungen, Gelen und Auflagen. In den meisten Fällen ist Polihexanid das Mittel der Wahl. Der Einsatz sollte sich am individuellen Bedarf orientieren und zeitlich begrenzt bleiben. Nach maximal 14 Tagen wird eine Kontrolle der Indikation empfohlen.

Quellen: 1. Singer M et al. JAMA 2016; 315: 801-810; DOI: 10.1001/jama.2016.0287 / 2. Dissemond J. Z Gerontol Geriat 2023; 56: 48-52; DOI: 10.1007/s00391-021-01984-7