Fragile Haut Zerreißprobe für die Haut

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Es mangelt an einheitlichen Methoden zur Beurteilung von fragiler Haut. Es mangelt an einheitlichen Methoden zur Beurteilung von fragiler Haut. © Panyada – stock.adobe.com

Kleine Einrisse in fragiler Haut werden oft als harmlose Wunden oder normale Alterserscheinungen angesehen. Doch wenn man nicht aufpasst, können schwere Läsionen daraus werden.

Kleine Risse in dünner Haut finden in der Medizin zu wenig Beachtung, bemängelte Prof. Dr. Sebastian Probst von der HES-SO* Fachhochschule Westschweiz in Genf. Es gibt noch nicht einmal einen einheitlichen Begriff und kaum Erwähnungen in Fachbüchern oder solchen zur Pflege. In einer Umfrage unter 137 Pflegepersonen wurden 37 verschiedene Bezeichnungen genannt, darunter Ablederung, Kortison-/Pergamenthaut, Schürfwunde oder Décollement. Aber immerhin 64 % gaben an, solche Läsionen „oft“ zu sehen. Dennoch weiß man nicht viel über genaue Inzidenz- und Prävalenzraten. Schätzungen zur Prävalenz reichen von 1,1 % bis 41,2 %, die höchsten wurden aus Langzeitpflegeeinrichtungen berichtet, die Angaben zu dortigen Inzidenzraten reichten bis 92 %

Das geringe Aufsehen, das die Wunden hervorrufen, liegt nicht nur an Fehleinschätzungen oder –diagnosen, es mangelt auch an zuverlässigen Klassifikationen und einheitlichen Methoden zur Beurteilung. Prof. Probst bevorzugt die Klassifikation nach dem International Skin Tear Advisory Panel, kurz ISTAP. 

  • Typ 1: kein Hautverlust, linearer oder aufklaffender Riss

  • Typ 2: die Haut reicht nicht mehr aus, um das Wundbett zu bedecken, es kommt zu einem Teilverlust des Hautlappens

  • Typ 3: totaler Hautlappenverlust, bei dem das Wundbett vollständig freiliegt

Eine Fragilität der Haut kann nicht allein auf die Alterung geschoben werden und tritt auch nicht nur in fortgeschrittenem Alter auf, mahnte Prof. Probst. Betroffen von den Skin Tears sind Epidermis und Dermis, entweder lösen sie sich voneinander oder beide werden vom darunter liegenden Gewebe getrennt, die Läsionen finden sich am häufigsten an Armen und Beinen.   

Verständige Patienten mit fragiler Haut können selbst einiges zur Prävention der Risse tun, zum Beispiel die Haut täglich gut pflegen, genug essen und trinken, Oberteile mit langen Ärmeln oder Schienbeinschützer tragen und die Umgebung sicher gestalten. Pfleger sollten auf Risikofaktoren (siehe Kasten) achten, mit lauwarmen Wasser waschen und auf Seife verzichten, Hautverletzungen durch adhäsive Verbände vermeiden, beim Anlegen von Kompressionsstrümpfen Vorsicht walten lassen und rückfettende Pflegeprodukte, z.B. Glycerin oder Harnstoff, verwenden. Natürlich müssen zugrunde liegende Risikofaktoren wie ein schlechter Ernährungszustand oder chronische Krankheiten adäquat behandelt werden. 

Was Skin Tears begünstigt

  • kurzärmlige Oberteile

  • grobes Umlagern durch Pflegende

  • unzureichende Rehydrierung/fehlender Hautschutz durch Topika

  • Hygiene mit kaltem/heißem Wasser und Seife

  • Schmuck oder lange Fingernägel

  • haftende Verbandsmaterialien (Abreißen der Pflaster oder Klebeverbände führt zu Hautschäden)

Therapeutisches Ziel ist es, den – sofern noch vorhanden – Hautlappen zu erhalten. Zu den Basismaßnahmen gehören:

  • Blutung stoppen

  • Wundreinigung mit Entfernung von nekrotischem Gewebe

  • Wundränder annähern

Die Wunde selbst versorgt man mit nicht haftenden Verbänden, die fünf bis sechs Tage belassen werden. Ein idealer Verband lässt sich laut Prof. Probst leicht anlegen und entfernen, verhindert ein Trauma von Läsion und Umgebung während des Wechsels, bietet Schutz vor Scherkräften, hält die Feuchtigkeit im Gleichgewicht und ermöglicht das längere Tragen.

Für trockene oder leicht exsudierende Wunden kommen Distanzgitter infrage, bei mittlerer Exsudation eignen sich Schaumstoffverbände, bei mittlerer bis starker Kalziumalginate oder Hydrofaserauflagen. Trockene Wunden lassen sich mit Hydrogelen befeuchten, infizierte behandelt man mit Silberverbänden und ggfs. antibiotisch.

* Haute école spécialisée de Suisse occidentale

Quelle: 6. Nürnberger Wundkongress