Infrarot-Thermografie Heißer Krebs oder kühler Wundgrund
Temperaturunterschiede verraten vieles über die Vorgänge auf und unter der Haut. Doch bloßes Handauflegen reicht für eine Messung nicht aus, schreiben Prof. Dr. Reinhart Speeckaert von der Universitätsklinik Gent und Kollegen. Selbst geübte medizinische Fachkräfte erkennen 1°C-Differenzen der Haut nur in 78 % der Fälle. Besser geeignet und inzwischen auch erschwinglich sind Geräte zur Infrarot-Thermografie (IRT). Sie detektieren Temperaturunterschiede der Haut von nur 0,1°C zuverlässig. Wie gut sich die IRT zur Diagnose und zum Monitoring verschiedener dermatologischer und systemischer Erkrankungen eignet, hat die Arbeitsgruppe anhand einer Metaanalyse erforscht.
Psoriasis
Schuppenflechteläsionen ohne Hyperkeratose weisen höhere Temperaturen als die gesunde Haut auf (hyperkeratotische Bereiche sind dagegen oft hypotherm). Wenn der Bereich erhöhter Temperatur über den optisch sichtbaren Läsionsrand hinausgeht, wertet man dies als Zeichen für eine hohe Krankheitsaktivität. Zudem lässt sich die Wirksamkeit der Therapie anhand der Abnahme der Hauttemperatur verfolgen. Für die Gelenkbeteiligung bei Psoriasisarthritis gibt es nur wenig Daten. In kleineren Studien zeigte sich über großen und kleinen betroffenen Gelenken ein Temperaturanstieg im Vergleich zur umgebenden Haut.
Morphoea
Bei der lokalisierten Sklerodermie gilt ein Unterschied von 0,5 °C und mehr im Vergleich zur kontralateralen Seite als Zeichen eine für Krankheitsaktivität. Allerdings kann eine Atrophie des subkutanen Fettgewebes falsch positive IRT-Resultate erzeugen. Umgekehrt kann ein Hautödem eine erhöhte Läsionstemperatur verschleiern.
Hidradenitis suppurativa (HS)
HS-Läsionen sind im Zentrum mit 35–37 °C um einige Grade wärmer als gesunde Haut (33 °C). Die IRT ist nützlich, um ergänzend zum MRT die Ränder für die chirurgische Exzision festzulegen. Außerdem eignet sich die gemessene Temperatur als Biomarker für den Schweregrad der Entzündung.
Allergie
Das Ergebnis eines Hauttests kann mittels IRT objektiver abgelesen werden als mit dem ärztlichen Auge. Eine allergische Reaktion macht sich als Hotspot über die Patchränder hinaus bemerkbar, während eine irritative Reaktion auf die Patchfläche begrenzt bleibt.
Hautinfektionen
Die IRT erlaubt, zwischen einer Zellulitis und einer Pseudozellulitis zu unterscheiden. Bei der Zellulitis ist der Temperaturgradient im Vergleich zur gesunden Haut deutlich höher als bei der Pseudozellulitis: Liegt er unter 0,4 °C, handelt es sich mit hoher Sicherheit um eine Pseudozellulitis. Unter einer erfolgreichen Therapie nimmt der Gradient früher ab, als das Erythem verschwindet.
Herpes zoster
Beim Herpes zoster gibt es Hinweise darauf, dass eine erniedrigte oder nicht erhöhte Hauttemperatur in der Zosterregion im Vergleich zur kontralateralen Seite nach 12 Wochen ein Prädiktor für das Auftreten einer postherpetischen Neuralgie sein könnte.
Hautkrebs
Um zwischen Basalzellkarzinom und aktinischer Keratose zu unterscheiden, könnte die IRT treffsicherer sein als die Dermatoskopie. Das Basaliom zeigt ein eher kaltes Muster, während Herde aktinischer Keratose durch eine erhöhte Hauttemperatur auffallen. Bei Melanomen beobachtet man häufig einen hyperthermen Halo, während benigne Nävi hypothermisch sind. Auch Plattenepithelkarzinome und Kaposisarkome zeigen erhöhte Hauttemperaturen.
Wundheilung
Ein positives Zeichen für die Heilung von Druckulzera ist eine erhöhte Temperatur in wundnahen Hautbereichen im Vergleich zur Wunde selbst. Auch bei venösen Ulzera liegt die Temperatur im Wundbereich niedriger als in der umgebenden Haut. Steigt die Temperatur im Wundbereich, deutet dies auf eine bakterielle Kolonisation. Beim diabetischen Fuß ist eine im Vergleich zur Gegenseite erhöhte Hauttemperatur prädiktiv für das Auftreten von Ulzera.
Raynaud
Ein Raynaud-Phänomen lässt sich gut mittels IRT in Kombination mit einem Kältetest diagnostizieren. Dazu taucht der Patient die Hände für fünf Minuten in etwa 9 °C kaltes Wasser, vorher und 30 Minuten danach wird per IRT die Hauttemperatur ermittelt. Liegt diese vor dem Eintauchen über 29 °C und danach unter 29 °C, steht die Diagnose Raynaud. Auch ein schnelles Screening ist möglich. Für ein Raynaud-Phänomen spricht, wenn die Fingerspitzen kälter sind als der Handrücken.
Quelle: Speeckaert R et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2024; DOI: 10.1111/jdv.19796