CGM-Systeme Mehr als nur ein Hypo-Schutz
Der Trend zum Einsatz von Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (Continuous Glucose Monitoring; CGM) ist ungebrochen. Die Methode geht zwar im Allgemeinen mit einer besseren Blutzuckereinstellung einher und steigert auch die Lebensqualität der Betroffenen, sie kann jedoch auch Herausforderungen mit sich bringen. Darauf weisen Prof. Dr. Karin Lange von der Medizinischen Hochschule Hannover und Prof. Dr. Bernhard Kulzer vom Diabetes Zentrum Mergentheim in einer Übersichtsarbeit hin.
Die wachsende CGM-Nutzung machen die Autoren an den Ergebnissen der jährlichen Umfrage des Digitalisierungs- und Technologiereports Diabetes (D.U.T.) fest. Zwischen 2018 und 2021 stieg nach Aussage der befragten Diabetologen der Anteil der CGM-Anwender unter ihren Patienten mit Typ-1-Diabetes um 109 % an. Derzeit setzen demnach etwa 78,5 % der Betroffenen ein CGM-System ein. Auch knapp ein Viertel (24,3 %) der Patienten mit Typ-2-Diabetes macht davon Gebrauch.
Über die positiven Aspekte ist mittlerweile einiges bekannt. So kann man ein Wechselspiel zwischen verbessertem psychischem Wohlbefinden und reduzierten somatischen Risiken beobachten. Die CGM-Nutzung bietet etwa einen gewissen Schutz vor Hypo- und Hyperglykämien, vor allem durch Alarmfunktionen, welche frühzeitig auf schnelle Veränderungen des Glukosespiegels aufmerksam machen.
Mehr Sicherheit bringt meist einen ruhigeren Schlaf
Die Gewissheit, bei Unterzucker geweckt zu werden, gibt den Patienten mehr Sicherheit und bringt meist einen ruhigeren Schlaf mit sich. In der Folge verbessern sich die kognitiven Leistungen, die Betroffenen erleben mehr positive Emotionen und Selbstwirksamkeit. Das erhöht ihre Motivation, die Therapie fortzuführen und weitere Erfolge zu erzielen.
Wie eine Studie zeigte, kann ein wöchentlicher Bericht über den Blutzuckerverlauf nicht nur zu einer verbesserten glykämischen Kontrolle beitragen, sondern auch allgemein die Lebensqualität erhöhen. Besonders deutlich war dieser Effekt, wenn die Patienten sich aktiv mit dem Bericht beschäftigten und mit ihrer Familie oder Freunden
darüber sprachen.
An dieser Stelle kommen neuere Indikatoren wie die Zeit im Blutzuckerzielbereich (Time in Range, TiR) ins Spiel. Sie gibt ein mittel- und langfristiges Feedback zur Blutzuckereinstellung jenseits des HbA1C, der im Schnitt nur alle drei Monate gemessen wird. Sehen die Patienten Auswirkungen ihres Verhaltens auf die TiR, kann das positiv verstärkend wirken.
Die meisten CGM-Systeme bieten die Möglichkeit, Glukosedaten in Echtzeit mit dem behandelnden Diabetesteam oder anderen Personen zu teilen. Davon profitieren insbesondere Eltern, die ein Kind mit Typ-1-Diabetes haben, sowie ältere Menschen, die allein leben bzw. zum Selbstmanagement der Erkrankung nur eingeschänkt in der Lage sind.
Die Anwendung von CGM-Systemen kann allerdings auch mit Problemen verbunden sein. An erster Stelle steht, dass das ständige Tragen des Sensors und ggf. der damit verbundenen Insulinpumpe den Status als chronisch Kranker in der Öffentlichkeit sichtbar macht. Einige Patienten befürchten oder erleben dadurch eine Stigmatisierung.
Die Haut unter den Sensoren braucht die richtige Pflege
Manche Betroffene klagen über ein verändertes Körpergefühl, wovon Selbstbild, Partnerschaft und Sexualität in Mitleidenschaft gezogen werden können („Ich fühle mich damit wie ein Cyborg“). Das permanente Tragen des Sensors kann außerdem zu Hautreaktionen wie eine allergische Kontaktdermatitis führen. Die Nutzer sollten deshalb über die richtige Hautpflege aufgeklärt werden.
Wichtig ist ein gutes Erwartungsmanagement vor Beginn der kontinuierlichen Glukosemessung, das die Definition realistischer Ziele umfasst. Grundsätzlich sollte jeder Patient im Vorfeld eine strukturierte Schulung erhalten, in der er nicht nur die Technik der Glukosemessung erlernt und übt, sondern auch die Analyse der angezeigten Werte sowie Strategien zur Verbesserung der TiR. Dies gilt ganz besonders für Diabetiker mit psychischen Erkrankungen,
kognitiven Beeinträchtigungen, prekären Lebensverhältnissen oder unzureichender Gesundheitskompetenz.
Werden die Glukosedaten kontinuierlich aufgezeichnet, erlaubt das womöglich auch Rückschlüsse auf bestimmte Verhaltensweisen der Nutzer oder wirft zumindest Fragen auf, etwa in Bezug auf den Alkoholkonsum oder die Ernährungsweise. Diese Transparenz kann Konflikte mit den Eltern oder dem Diabetes-Team verursachen. Vor allem Jugendliche, die sich allmählich von ihren Eltern lösen und Eigenverantwortung übernehmen möchten, fühlen sich durch das Teilen der CGM-Daten mit anderen leicht überwacht. Deshalb sollte der Umfang der Überwachung im Vorfeld mit den Betroffenen zusammen geklärt werden. Außerdem sollte man besprechen, welche unterstützenden Maßnahmen sinnvoll und gewünscht sind.
Quelle: Lange K, Kulzer B. Diabetes Stoffw Herz 2023; 180-189