Warum benutzen viele Patienten ihre CGM-Systeme nicht?
Adhärenz ist das Hauptforschungsgebiet von Professor Dr. Gérard Reach aus Paris, Avicenne Hospital und Universität Paris, Paris, der seine Aufmerksamkeit beim diesjährigen ATTD (Advanced Technologies and Treatments for Diabetes)-Kongress auch der Nutzung von Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) widmete. Er nannte vielfältige Gründe, warum Patienten sich entschließen, eine bestimmte Therapie durchzuführen oder diese zu beenden. Ein wesentlicher Grund ist zum Beispiel das Nicht-Erreichen der persönlichen Ziele. Bei einer Befragung von 533 erwachsenen CGM-Nutzern wurden als weitere Ursachen für die Nicht-Nutzung von CGM genannt:
- Kosten (55,3 %)
- unangenehmes Tragen (35,5 %)
- Ablehnung eines am Körper befestigten Gerätes (27,6 %)
Prof. Reach zog in seinem Vortrag Parallelen zwischen der fehlenden Adhärenz bei CGM-Geräten und der Einnahme von Medikamenten. So kann die Nicht-Einnahme eines Medikaments auf einer absichtlichen, aktiven Entscheidung beruhen, sich nicht an die ärztliche Empfehlung zu halten. Sie kann aber auch unbeabsichtigt oder passiv zustande kommen, wenn Nutzung oder Einnahme schlicht vergessen werden. Letzteres passiert häufiger bei Patienten mit einer geringen Gesundheitskompetenz, die Schwierigkeiten haben, die Bedeutung medizinischer Konzepte zu erfassen.
CGM-Adhärenz ist messbar
Nicht-invasive Optionen bevorzugt
Betrachtet man die Kosten für die Nutzung von CGM-Geräten, dann stellt sich die Frage: Wie kann der „Nutzen“ für diese kostenintensive Option verbessert werden? Klar ist, je weniger „invasiv“ ein CGM-System wahrgenommen wird, desto mehr wird es auch genutzt. Das ist ein Grund dafür, warum CGM-Systeme, die keine Kalibration benötigen, so beliebt sind – schmerzhaftes Stechen in den Finger entfällt und man muss sich nicht darum “kümmern“. Dies ist ein wichtiges Argument für implantierbare Glukosesensoren und all die – bisher leider erfolglosen – Versuche, nicht-invasive Glukose-Messtechnologien zu entwickeln. Die erwähnte Befragung ergab, dass Patienten die CGM-Nutzung beenden, wenn ihnen:- das Tragen des Systems unangenehm ist (47 %),
- Hautirritationen auftreten (41 %),
- die Sensorapplikation schmerzhaft ist (31 %).
Nachteile und Probleme in Studien beobachten
CGM-Systeme weisen klare Vorteile auf, ihr Nutzungsgrad wird aber stark von den genannten Problemen bestimmt und Patienten wägen Nutzen und Probleme gegeneinander ab. Bei Studien (die üblicherweise von den Herstellern finanziert werden) liegt der Fokus stärker auf den Vorteilen der CGM-Systeme, zumindest werden Angaben dazu eher in den Publikationen erwähnt. Damit Patienten diese kostenintensive Technologie dauerhaft erfolgreich nutzen, gilt es, den kritischen Faktoren mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Gleichzeitig müssen die Patienten durch entsprechende Schulungen befähigt werden, mit der Technologie kompetent umzugehen und deren Optionen, aber auch Limitationen korrekt einschätzen zu können. Wenn ihnen ein „Time-in-Range“-Konzept nicht geeignet erklärt wird oder sie dieses nicht verstehen können, dann nützt auch die beste Messgüte des CGM-Systems nichts. Im gleichen Sinne stellt auch die Verfügbarkeit eines Systems zur Automatisierten Insulindosierung (AID-Systeme) unmittelbar nicht sicher, dass die Nutzer damit zufrieden sind und dies dauerhaft nutzen, wie aktuelle Berichte aus den USA zu einem dort vielfach verwendeten AID-System nahelegen. Es drängt sich der Wunsch nach guten Untersuchungen auf, die zeigen, wie Patienten in der Realität ihr CGM-System nutzen, aber eben auch, warum sie die Nutzung dieser Option beenden.Quellen:
ATTD-Kongress 2019
Reach G. et al. ATTD 2019; Session PS15