Diabetestechnologie am Flughafen: Wird die Insulinpumpe mitgescannt?

diatec journal Autor: Dr. Andreas Thomas / Prof. Dr. Lutz Heinemann / Dr. Kurt Rinner

Bei der Sicherheitskontrolle werden Körper und Gepäck bestimmten Strahlen ausgesetzt – auch medizinische Geräte. Bei der Sicherheitskontrolle werden Körper und Gepäck bestimmten Strahlen ausgesetzt – auch medizinische Geräte. © iStock/Tetiana Lazunova

Gürtel und Uhr nimmt man bei der Sicherheitskontrolle schon automatisch ab. Die Schuhe bleiben meistens zunächst an – doch was ist mit CGM-System und Insulinpumpe? Ein Überblick über Strahlenquellen und deren Auswirkungen bei Flugreisen.

Im diatec journal (dtj 4/2019) wurde bereits darauf eingegangen, ob, wie und unter welchen Bedingungen elektromagnetische Felder (EMF) – ausgehend zum Beispiel von Hochspannungsleitungen, medizinischen Diagnostiksystemen oder auch Mobiltelefonen – Medizinprodukte in ihrer Funktion beeinträchtigen oder diese sogar zerstören können.

Speziell Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM) und Insulinpumpen sind hier von Interesse. Auch die umgekehrte Fragestellung ist relevant, nämlich ob die von den Medizinprodukten ausgehenden, eher kleinen EMF vielleicht andere Geräte stören können. Denn immerhin wird bei einigen CGM-Systemen empfohlen, diese in Flugzeugen auszuschalten, auch wenn die geringe Sendeleistung bei der Datenübertragung keine Gefährdung der Flugsicherheit erwarten lässt.

Ionisierende Strahlung ist durchaus ein Thema

In Zusammenhang mit der Passagierluftfahrt treten auch weitere Wechselwirkungen mit EMF und Strahlung auf – so zum Beispiel bei Ganzkörperscannern am Flughafen. Der Einfluss von ionisierender Strahlung auf Systeme der Diabetestechnologie ist hier wichtig, wird doch Röntgenstrahlung beim Durchleuchten von Gepäckstücken eingesetzt, in welchen sich mitunter medizinische Geräte befinden. Generell ist die Wechselwirkung mit Röntgenstrahlen natürlich im Rahmen der medizinischen Diagnostik relevant.

Doch was passiert nun, wenn medizinische Geräte mit Strahlung in Kontakt kommen? Der entscheidende Punkt ist, ob dadurch in dem Gerät oder in dessen Elektronik Strahlenschäden auftreten und ob diese zu einer Funktionsbeeinträchtigung oder sogar zu einem Ausfall des Gerätes führen.

Die Strahlenschäden hängen davon ab, wie viel Energie pro Volumenintervall beim Eindringen in das Gerät deponiert (also absorbiert) wird. Dies wiederum hängt von der Art der Strahlung und deren Energie ab.

Eigenschaften und Zerstörungspotenzial von Strahlung
Art der ionisierenden Strahlung
Herkunft/Entstehung
Eindringvermögen
Wechselwirkung/Strahlenschäden
α – Alphastrahlung nach Emission aus dem Atomkern (Helium-Kerne)sehr gering (hohe Energiedeponierung pro Volumen)zerstört Atome und Moleküle/ starkes bis extremes Schadenspotenzial
β- – Elektronenstrahlung

β+ – Positronenstrahlung
nach Emission aus dem Atomkern; nach β--Zerfall; nach Emission aus dem Atomkern; nach β+-Zerfall mittel, in Abhängigkeit von der Eintrittsenergieschlägt vor allem Elektronen aus den Atomen bzw. Molekülen/mittleres Schadenspotenzial
γ – elektromagnetische Strahlung mit hoher Energieemittiert aus angeregten Atomkernenhoch (geringe Energiedeponierung pro Volumen)gering im Vergleich zu α- und β-Strahlung, hoch im Vergleich zu sichtbarem Licht/ mittleres bis geringes Schadens­potenzial
RöntgenstrahlungAbbremsung von Elektronen hoher kinetischer Energie, z.B. an der Elektrode einer Röntgenröhrehoch (aber geringe Energiedeponierung pro Volumen, weil eher durchdringend)gering im Vergleich zu α-,β-,γ-Strahlung, hoch im Vergleich zu infrarotem und sichtbarem Licht
Licht (ultravioletter Bereich); ionisierendWechselwirkungsprozesse in den äußeren Schalen der Atomhülleabhängig vom Absorptionsvermögen (optische Eigenschaften) des Materials bedeutend bei hoher Absorption
Licht (infraroter, sichtbarer Bereich); nicht ionisierendWechselwirkungsprozesse in der Atomhülleabhängig vom Absorptionsvermögen (optische Eigenschaften) des Materialsunbedeutend (falls es sich nicht um fotoempfindliches Material handelt)
weitere Korpuskularstrahlung (Elementarteilchen wie z.B. Neutronen, Protonen usw.) freigesetzt aus Kernzerfällen/Verschmelzungen; oft aus dem Kosmos kommendgering (hohe Energiedeponierung pro Volumen)zerstört Atome und Moleküle in Abhängigkeit von der Eindringenergie/starkes Schadenspotenzial

Quelle: Dr. Andreas Thomas

Dabei ist ionisierende Strahlung besonders gefährlich, nicht nur für Diabetestechnologie, sondern auch für organisches Material und damit für den Menschen. Die ionisierende Strahlung entsteht nach Anregung oder Zerfällen im Atomkern und besitzt damit eine Energie im Bereich von Kilo- bis Megaelektronenvolt. Das ist um das Tausend- bis Millionenfache höher als bei Prozessen in der Elektronenhülle (wobei z.B. Licht abgestrahlt werden kann).

Entscheidend ist, inwieweit Elektronen aus Atomen oder Molekülen durch Stoßprozesse herausgeschlagen werden, sodass Molekülreste zurückbleiben, also Strahlenschäden entstehen, die sich nicht selbst reparieren (durch Rekombination). Das ist besonders bei Korpuskularstrahlung (α- und β-Strahlung, Protonen etc.) der Fall: Hier ist die Eindringtiefe in das Material gering, doch die gesamte Ausgangsenergie wird deponiert. Dagegen sind die Schäden von stark durchdringender Strahlung – wie γ-Strahlung – eher moderat.

Röntgenstrahlen wiederum sind wie auch die γ-Strahlung elektromagnetische Wellen, ähnlich dem sichtbaren Licht, nur eben deutlich kurzwelliger (mit Wellenlängen von 0,001 bis 10 Nanometern [nm]; sichtbares Licht hat Wellenlängen von 380–780 nm) und damit um das 50 bis 50.000-Fache energiereicher. Sie durchdringen Material und auch den Körper größtenteils, deponieren dabei nur eine geringe Energiemenge. Trotzdem sind sie ionisierend, wie auch ultraviolettes Licht (Wellenlänge 100–380 nm).

Wie sind Ganzkörperscanner einzuschätzen?

Verunsicherung zum Einfluss von Ganzkörperscannern auf Diabetestechnologie wurde bereits vor einigen Jahren geäußert. Anlass war der Bericht eines 16 Jahre alten Patienten mit Typ-1-Dia­betes, bei dessen Insulinpumpe es zu einer Fehlfunktion kam, nachdem er auf einem amerikanischen Flughafen einen Ganzkörperscanner der Transportation Security Administration (TSA) passiert hatte.1 Derartige Scanner arbeiten zum Teil mit Röntgenstrahlung im niedrig­energetischen Bereich.

Im Internet finden sich aber auch Hinweise, dass Ganzkörperscanner mit elektromagnetischen Wellen im Terrahertzbereich arbeiten;2 dies entspricht Wellen mit einer Frequenz von 1012 Hz (diese gehören zum normalen uns umgebenden Mikrowellenspektrum im fernen Infrarot, unterschiedliche Angaben haben auch etwas mit unterschiedlichen Produkten auf den Flughäfen zu tun). Diese Wellen dringen zwar in biologisches Gewebe ein (sonst würde man sie ja nicht für diesen Zweck nutzen), sie hinterlassen dort aber nur wenig Energie und sind damit nicht-ionisierend. Deshalb rufen sie keine Strahlenschäden hervor. Maximal kann es zu einer sehr geringfügigen Erwärmung von Insulinpumpen, CGM-Systemen und Gewebe kommen.

Aus physikalischer Sicht ist daher nicht zu erwarten, dass das Scannen am Flughafen einen relevanten Einfluss auf die Funktion von medizinischen Geräten hat, die in der Diabetestherapie genutzt werden. Ähnlich ist es bei Scannern, die im niedrigenergetischen Röntgenbereich arbeiten. Mitunter publizierte Hinweise, dass Ganzkörperscanner, Röntgenscanner oder andere bildgebende Geräte am Flughafen Störungen von medizinischen Geräten für die Dia­betestherapie bewirken, sind deshalb als unzutreffend zu betrachten.

Unabhängig davon prüfen Hersteller von Insulinpumpen und CGM-Systemen ihre Produkte bezüglich der Wechselwirkung mit diversen Strahlenquellen und EMF. Die Ergebnisse sind in den zugehörigen Bedienungsanleitungen hinterlegt. Leider sind diese für den physikalisch nicht vorgebildeten Leser eher schwer nachvollziehbar. Aus Sicherheits- und Haftungsgründen wird deshalb zur Vorsicht angehalten (notfalls zum Ablegen der Insulinpumpe oder des CGM-Transmitters).

Wachsamkeit geboten bei automatischer Insulinabgabe

Vorsicht ist vor allem geboten, wenn die Technologie die Insulinabgabe steuert, egal ob das bei „klassischen“ Insulinpumpen durch deren Programmierung oder bei Systemen zur automatisierten Insulinabgabe (AID-System) über die Glukosewerte des CGM-Systems gegeben ist. Weiterhin geben z.B. Insulinpumpen bei Fehlfunktionen Alarme ab. Im unwahrscheinlichen Fall, dass es dennoch zu Schäden kommt, haften in der Regel die Hersteller.

Quellen:
1. Diabetes Technology & Therapeutics; November 2012; DOI: 10.1089/dia.2012.0220
2. Wikipedia: Körperscanner. (letzter Aufruf 01.02.2020).