KI trifft Nervensystem Mit smarten Algorithmen zur personalisierten Neuromedizin

Autor: Maximilian Rossol

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind längst in der Medizin angekommen. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind längst in der Medizin angekommen. © www.freund-foto.de – stock.adobe.com (generiert mit KI)

Die Möglichkeiten, die Künstliche Intelligenz in der Neurologie eröffnet, sind enorm. Die Anwendungen dürften das Leben der Patienten erleichtern und die Prognose vieler neurologischer Erkrankungen verbessern.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind längst in der Medizin angekommen. Auch in der Neurologie verbessern sie zunehmend die Versorgung, Therapie und den Alltag der Patienten, so Prof. Dr. Lars Timmermann, Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Marburg. Als Beispiel stellte er ein KI-Projekt vor, bei dem sich über die Analyse spezieller Augenbewegungen Parkinsonkranke mit einem erhöhten Risiko für kognitiven Abbau identifizieren ließen. In einem anderen Projekt war präoperativ vorhergesagt worden, ob sich durch eine Tiefenhirnstimulation (THS) insbesondere die nicht-motorischen Symptome von Menschen mit Parkinson bessern ließen.

Auch die Platzierung der THS-Elektroden kann durch Algorithmen unterstützt und erleichtert werden, wie zwei Studien aus den Jahren 2022 und 2023 von Forschern der Justus-Liebig-Universität Gießen zeigen. Mithilfe von Sensorenin Smartphones, Smartwatches und speziellen Armringen mit Trägheitsmesseinheit lassen sich Bewegungsprofile erstellen, die dann von einer KI ausgewertet und analysiert werden. Diese Technologie erlaubt nicht nur die optimale THS-Einstellung, so der Referent. Perspektivisch könnten Wearables und KI so eine in Echtzeit angepasste Tiefenhirnstimulation ermöglichen.

Auch die Auswertung von MRT-Daten fällt in der Neurologie mittlerweile unter die Aufgaben einer KI, wie Prof. Dr. Simon Eickhoff, Institut für Systemische Neurowissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, beschrieb. Mit ihr lässt sich etwa die kognitive Leistungsfähigkeit eines Patienten abschätzen oder es lassen sich Aussagen zu neurologischen Diagnosen oder Persönlichkeitsmerkmalen machen. Aufgrund der großer Streuung bei den Ergebnissen sind die Algorithmen bei diesen individuellen Eigenschaften aber noch nicht für den breiteren Einsatz geeignet, schränkte Prof. Eickhoff ein.

Bei Tinnitus lässt sich heute schon mit 85%iger Wahrscheinlichkeit mittels KI vorhersagen, ob eine Behandlung mit transkranieller magnetischer Stimulation erfolgreich sein wird oder nicht, so Prof. Eickhoff. Hierzu wertet ein Machine-Learning-Algorithmus MRT-Scans vor und nach der Stimulationstherapie aus.

In den nächsten Jahren dürften KI-Anwendungen ein wichtiger Bestandteil von klinischen Studien werden, beschrieb Prof. Dr. Christian Grefkes-Hermann von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Die Algorithmen könnten künftig durch die gezielte Auswahl einiger weniger optimal geeigneter Kandidaten die benötigte Probandenzahl deutlich verringern. Das werde vor allem die Kosten senken – was im Umkehrschluss mehr Innovation ermöglichen dürfte. 

Quelle: DGKN*-Kongress 2024

* Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie