Oxalat gefährdet nicht nur die Nieren Neben Steinen drohen auch kardiovaskuläre Erkrankungen

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Wenn sich zu viele Kristalle in zu wenig Urin befinden, bilden sich Nierensteine, meist aus Kalziumoxalat. (Agenturfoto) Wenn sich zu viele Kristalle in zu wenig Urin befinden, bilden sich Nierensteine, meist aus Kalziumoxalat. (Agenturfoto) © wikimedia/J3D3, Andrii – stock.adobe.com

Nephrolithen zählen zu den häufigsten Folgen erhöhter Oxalatkonzentrationen. Nun häufen sich die Hinweise darauf, dass neben den Nieren auch das Herz-Kreislauf-System von einem Überschuss an Oxalat in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.

Weltweit entwickelt rund jeder zehnte Mensch mindestens einmal im Verlauf seines Lebens Nierensteine. In den meisten Fällen bestehen diese aus Kalziumoxalat. Vor allem bei Patientinnen und Patienten, die wiederholt unter einer Nephrolithiasis leiden, wird in der Regel die Konzentration von Oxalat im 24-h-Sammelurin bestimmt. Eine Hyperoxalurie besteht per Definition ab 45 mg/d (> 0,50 mmol/d). Darüber hinaus ist eine Bestimmung der Plasmakonzentrationen von Oxalat insbesondere bei Betroffenen mit primärer oder sekundärer Hyperoxalurie und fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung (chronic kidney disease; CKD) sinnvoll.

Es geht um mehr als die Nierengesundheit

Doch Nierensteine sind nicht die einzige mögliche Konsequenz von erhöhten Oxalatkonzentrationen. In einer Übersichtsarbeit hat ein Autorenteam unter Federführung von Gerlineke Hawkins-van der Cingel von der Charité – Universitätsmedizin Berlin den Zusammenhang zwischen dem Oxalatspiegel und CKD, dem metabolischen Syndrom sowie kardiovaskulären Erkrankungen (cardiovascular disease; CVD) erörtert.

Dabei hat die Gruppe in verschiedenen Studien Hinweise gefunden, dass eine erhöhte Oxalatausscheidung über den Urin einen Risikofaktor für die Entstehung und Progression einer CKD darstellen. Des Weiteren deuten die Ergebnisse von Untersuchungen mit Empfängerinnen und Empfängern von Nierentransplantaten darauf hin, dass erhöhte Oxalatkonzentrationen mit einem verschlechterten Überleben der Betroffenen und der Transplantate assoziiert sind.

In einer retrospektiven Kohortenstudie wiesen 70 % der Patientinnen und Patienten mit primärer Hyperoxalurie kardiale Symptome auf. In der Echokardiografie fanden sich unter anderem Anzeichen für Vergrößerungen der linksventrikulären Muskelmasse, des interventrikulären Septums und der linksventrikulären hinteren Septumwand – also Veränderungen, die auf einen infiltrativen Prozess hinweisen könnten.

Zudem gab es seit den 1970er-Jahren immer wieder Fallberichte, die auf einen Zusammenhang zwischen der Oxalatkonzentration und myokardialen Erkrankungen hinweisen. So wurde etwa bei Menschen mit primärer Hyperoxalurie eine oxalatbedingte restriktive Kardiomyopathie, einhergehend mit schweren Reizleitungsstörungen, beschrieben. In diesen Fällen ließ sich post mortem eine ausgedehnte Oxalatkristallinfiltration im kardialen Reizleitungssystem feststellen.

In einer aktuellen Kohortenstudie mit 1.100 Patientinnen und Patienten mit Diabetes, die auf Hämodialyse angewiesen waren, hatten Teilnehmende mit höheren Oxalatkonzentrationen im Serum eine höhere kardiovaskuläre Sterblichkeit, vor allem infolge eines plötzlichen Herztods. Da sich diese Ergebnisse nicht vollständig durch herkömmliche Risikofaktoren wie Hypercholesterinämie erklären lassen, ist anzunehmen, dass andere Faktoren wie Oxalat und damit verbundene Entzündungsprozesse eine Rolle spielen könnten. Darüber hinaus deuten Daten aus bevölkerungsbasierten Untersuchungen an, dass eine oxalsäurereiche, kalziumarme Ernährung auch bei Menschen ohne CKD das kardiovaskuläre Risiko erhöhen könnte. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um diese Vermutung zu bestätigen.

Die Autorengruppe ist der Ansicht, dass der Einfluss von Oxalat auf CKD und CVD bislang vernachlässigt wird. Einen möglichen Zusammenhang zwischen erhöhten Oxalatkonzentrationen und CKD bzw. CVD sehen sie in einem Zusammenspiel aus Ernährung, intestinalen Transportfaktoren, Störungen des Mikrobioms und der Dysregulation der endogenen hepatischen Oxalatbiosynthese.

Gefahr fürs Herz nicht nur bei schweren Nierenschäden

Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass ein gestörter Oxalatstoffwechsel ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von CVD ist, und zwar nicht nur bei Personen mit dialysepflichtigen Nierenerkrankungen, sondern auch beim metabolischen Syndrom, so das Fazit vom Team um Hawkins-van der Cingel. Zudem lassen Studien vermuten, dass Oxalat eine Rolle bei Entzündungsprozessen spielt, die über die CKD hinausgehen.

Quelle: Hawkins-van der Cingel G et al. Mayo Clin Proc 2024; 99: 1149-1161; DOI: 10.1016/j.mayocp.2024.02.006