Steroide und lange Antibiosen ohne Sinn Neue Therapieempfehlungen bei Neuroborreliose

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Das Autorenteam sieht eine Klasse-1b-Evidenz für die Nichtwirksamkeit von Antibiotika bei PTLDS. Das Autorenteam sieht eine Klasse-1b-Evidenz für die Nichtwirksamkeit von Antibiotika bei PTLDS. © Dr_Microbe – stock.adobe.com

Brennende Schmerzen in der Nacht, Fazialisparese und Meningismus können auf eine Neuroborreliose hinweisen. Behandelt wird mit Antibiotika. Aber nicht länger als zwei bis drei Wochen, wie es in einer aktualisierten Leitlinie heißt. Was gibt es sonst noch Neues zur Therapie der Infektion?

Die Neuroborreliose manifestiert sich sehr unterschiedlich. Die häufigste Manifestation der akuten Lymeerkrankung ist nach dem Erythema migrans in Europa die Meningoradikuloneuritis, auch als Bannwarth-Syndrom bekannt. Rund 60 % der Patientinnen und Patienten mit dieser Erkrankung leiden an Hirnnervenausfällen, vor allem und oft beidseitig betroffen ist der N. facialis. Eine Polyneuropathie bzw. Polyneuritis entwickelt sich meist in Kombination mit einer Acrodermatitis chronica atrophicans. Dass das ZNS betroffen ist, kommt mit einem Anteil von rund 3 % eher selten vor, heißt es in der aktuell überarbeiteten S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und zahlreicher weiterer Fachgesellschaften, darunter auch die DEGAM. Bei Kindern dominiert die lymphozytäre Meningitis mit und ohne Lähmung des Gesichtsnervs.

Defizite gibt es nach wie vor bei der Behandlung der Neuroborreliose: So mangelt es weiterhin an validen Studiendaten zur Wirksamkeit antibiotischer Kombinationstherapien. Auch zum Effekt von Chloroquin, Carbapenem und Metronidazol fehlen noch wissenschaftliche Untersuchungen, moniert das Leitliniengremium.

Sechs Wochen Doxycyclin ohne klinischen Vorteil

Erstmals publiziert wurde eine prospektive, randomisierte klinische Studie zur optimalen Dauer des Antibiotikaeinsatzes bei früher Neuroborreliose (Symptomdauer Wochen bis Monate). Dabei erzielte die sechswöchige Behandlung mit Doxycyclin keinen klinischen Vorteil verglichen mit der nur zweiwöchigen Applikation des Wirkstoffs.

Außerdem existiert inzwischen eine gepoolte Auswertung von Daten einer früheren Arbeit. Diese ermöglicht erstmals eine Aussage mit Klasse-1a-Evidenz zur optimalen Dauer der Antibiotikatherapie bei der frühen Neuroborreliose. Somit gibt es keine wissenschaftliche Begründung, von der bisher empfohlenen Therapiedauer in diesem Stadium abzuweichen.

Ein besonderes Problem ist das Post-Treatment Lyme Disease Syndrome, kurz PTLDS. Zu diesem Krankheitsbild wurde im Rahmen der Leitlinienerstellung erstmals eine systematische Studienrecherche durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Parameter Lebensqualität, Fatigue und Depression ebenso wie kognitive Einschränkungen nicht auf eine Antibiotikatherapie ansprechen. Es ließ sich kein Unterschied zwischen Verum und Placebo nachweisen. Das Autorenteam sieht eine Klasse-1b-Evidenz für die Nichtwirksamkeit von Antibiotika bei PTLDS. Zum Effekt anderer Therapieoptionen fand es keine aussagekräftigen Studien.

In Kohortenstudien zur Rückbildung der Fazialisparese wurde der Einfluss einer Steroidapplikation zusätzlich zum Antibiotikum geprüft. Alle drei Arbeiten waren mit einem hohen Verzerrungsrisiko behaftet. Trotz der methodischen Einschränkungen folgern die Verfasserinnen und Verfasser der Leitlinie, dass es für die Kombination von Glukokortikoid und Antibiotikum bei der borrelienbedingten Lähmung des Gesichtsnervs keinen Hinweis auf einen Nutzen gibt. Diese könnte sogar schaden. Die Steroidtherapie ist allerdings Standard bei der idiopathischen Parese. Deshalb sollte die Neuroborreliose liquordiagnostisch untermauert bzw. bestätigt sein.

Quelle: S3-Leitlinie „Neuroborreliose“; AWMF-Register-Nr. 030-071; www.awmf.org