Viel Gefühl gegen chronischen Schmerz Neue Therapieform zielt auf emotionale Konflikte und ungelöste Traumata

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Die Studie zeige sehr gut, dass das Hervorrufen und der Ausdruck von Gefühlen der rein kognitiven Bewältigung von Schmerzen überlegen ist. Die Studie zeige sehr gut, dass das Hervorrufen und der Ausdruck von Gefühlen der rein kognitiven Bewältigung von Schmerzen überlegen ist. © strichfiguren – stock.adobe.com

Bei der Behandlung von chronischen Schmerzen stößt die kognitive Verhaltenstherapie schnell an ihre Grenzen. Einen Ausweg könnte eine neuartige Therapie bieten.

Bislang hat sich die Emotional Awareness and Expression Therapy (EAET) in erster Linie bei jüngeren Frauen bewährt. Ob die recht neue psychotherapeutische Methode auch älteren Männern mit chronischen Schmerzen Vorteile gegenüber der KVT bietet, prüften Prof. Dr. Brandon Yarns von der University of California in Los Angeles und sein Team.

Von 126 überwiegend männlichen Kriegsveteranen (92 %) im Alter von 60 bis 95 Jahren nahm die eine Hälfte an einer EAET teil, die anderen bekamen eine KVT. Alle litten seit mindestens drei Monaten an muskuloskelettalen Schmerzen. Oft hatten die Männer und Frauen Rückenschmerzen, häufig auch psychische Begleiterkrankungen wie eine Angst- oder eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD).

Der erste Termin war ein Einzelgespräch über 90 Minuten. Es folgten acht ebenso lange Sitzungen in Gruppentherapie. Zu Beginn, nach der neunten Sitzung in Woche 10 und sechs Monate nach Ende der Therapie bewerteten die Patienten und Patientinnen ihre Schmerzen anhand des Brief Pain Inventory mit einem Punktwert von 0 bis 10.

Mit Abschluss der Behandlung war der Wert in der EAET-Gruppe deutlicher gesunken als in der KVT-Gruppe. Eine klinisch signifikante Schmerzreduktion von ≥ 30 % erreichten 63 % der EAET-Behandelten, unter KVT waren es nur 17 % (Odds Ratio 21,54). Zudem hatten sich in der EAET-Gruppe Angstzustände, Depressionen und PTSD-Symptomatik verringert. Wer zu Beginn der Intervention stärker depressiv, ängstlich oder posttraumatisch belastet war, profitierte besonders von der neuen Therapieform. Für die KVT galt das nicht. Auch in der Nachuntersuchung sechs Monate später zeigte sich der Vorteil.

Prof. Dr. Matthias Karst von der Schmerzklinik an der Medizinischen Hochschule Hannover erläutert in einem Editorial, welche Bedeutung der gesunden Kommunikation von Emotionen beim chronifizierten Schmerz zukommt: Bei der EAET liege der Fokus auf dem emotionalen Erleben der Patienten und Patientinnen, während das Ausmaß der empfundenen Schmerzen genau beobachtet wird. So können sich die Betroffenen über das mit der körperlichen Schmerzwahrnehmung assoziierte Gefühl klar werden.

Diese intensive Auseinandersetzung mit den erlebten Emotionen hat der zugrunde liegenden Theorie zufolge Einfluss auf die neurologische Aktivität des limbischen Systems und die Schmerzverarbeitung. Insbesondere bei chronifiziertem Schmerz und begleitenden psychischen Erkrankungen könnte sich die EAET als eine besonders effektive Therapieform erweisen, so Prof. Karst. Die Studie zeige sehr gut, dass das Hervorrufen und der Ausdruck von Gefühlen der rein kognitiven Bewältigung von Schmerzen überlegen ist.

Quellen:
1. Yarns BC et al. JAMA Netw Open 2024; 7: e2415842; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2024.15842
2. Karst M. JAMA Netw Open 2024; 7: e2417340; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2024.17340