Weibliche Herzen Nicht für den Ausdauersport gemacht?
Im Jahr 1954 titelte der Deutsche Fußball-Bund: „Im Kampf um den Ball schwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden.“ Frauenfußball wurde vom DFB kurzerhand verboten. Erst ab 1970 durften Frauen wieder kicken, aber nur mit Beschränkungen wie leichteren Bällen, kürzerer Spieldauer oder längerer Winterpause. Bis 1980 galten Frauen als „nicht gemacht“ für Ausdauersport.
Leistungsparameter lange Zeit von Männern abgeleitet
Dabei lief bereits 1967 die erste Frau in den USA einen offiziellen Marathon – allerdings inkognito mit Wollmütze und dicker grauer Trainingskleidung. Diese und einige weitere Beispiele berichtete Dr. Catharina Hamm von der Kardiologie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim. Das damalige Rollenbild führte nicht zuletzt dazu, dass leistungsphysiologische Parameter lange Zeit nur von Männern abgeleitet wurden.
Seitdem hat man natürlich eine Menge gelernt, auch über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern (s. Kasten). Durch die geringere Größe und Körpermasse können Frauen von Natur aus niemals die gleichen sportlichen Leistungen erzielen wie Männer, mit dieser Tatsache müssen sie sich abfinden. Mit konstantem Abstand voneinander haben sich beide Geschlechter in den letzten Jahrzehnten aber stetig in Richtung höher, schneller, weiter entwickelt.
Seltener Vorhofflimmern und KHK durch intensiven Sport
Frauen profitieren gleichermaßen vom Sport, entwickeln aber weniger Komplikationen als Männer. So bekommen sie seltener ein Athletenherz, eine KHK oder Vorhofflimmern durch intensiven (Ausdauer-)Sport. Außerdem sterben sie seltener an einem plötzlichen Herztod beim Sport – das gilt für junge Athletinnen ebenso wie für ältere Freizeitsportlerinnen. Das Herztodrisiko liegt Studien zufolge bis zu 33-fach niedriger als bei Männern. Ob beispielsweise der kardioprotektive Effekt von Östrogen dafür die entscheidene Rolle spielt oder die seltener auftretende KHK, ist unklar, zumal das weibliche Geschlecht in Studien unterrepräsentiert ist. „Vielleicht hören Frauen auch einfach früher auf zu trainieren, bevor sie tot umfallen“, meinte Dr. Hamm.
Die kleinen Unterschiede zwischen Frau und Mann
Frauen ...
- sind im Schnitt 10 cm kleiner und 12 kg leichter als Männer,
- haben im Mittel 30 % weniger Muskelmasse und
- weisen einen höheren Körperfettanteil auf (20–30 % vs. 10–20 %).
Das Frauenherz ...
- ist durchschnittlich um 10 % kleiner und
- schlägt mit höherem Ruhepuls und niedrigerem Schlagvolumen.
Zudem haben Frauen ...
- eine höhere Fettoxidationsrate,
- einen geringeren Proteinkatabolismus,
- einen geringeren Kohlenhydratumsatz und
- eine niedrigere O2-Transportkapazität (und damit eine niedrigere Hb-Konzentration).
Mit der Menopause wächst durch den Östrogenabfall generell das kardiovaskuläre Risiko. Oft steigt das LDL, das Gewicht ebenso, die Hypertonieprävalenz klettert nach oben, die Inaktivität nimmt zu, die Muskelmasse sinkt. Vor allem durch die letzten beiden Punkte erhöht sich die Inzidenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, betonte die Kollegin.
Die Skelettmuskulatur sei mehr als nur ein Bewegungsorgan. Die Muskeln sezernieren mehrere Hundert Myokine, darunter z.B. Follistatin, welches Knochenaufbau sowie Mineralisation fördert und das pro-osteoporotische Myostatin hemmt. Durch Besserung der endothelialen Funktion und Revaskularisierung wirkt es außerdem direkt kardioprotektiv. Je weniger Skelettmuskelmasse vorhanden ist, umso höher liegt der Coronary Artery Calcium Score. Zudem haben postmenopausale Frauen mit reduzierter Muskelmasse ein 2,1-fach erhöhtes Sturz- und ein 2,7-fach erhöhtes Frakturrisiko.
Mit zunehmendem Alter wird der Sport folglich immer wichtiger. Empfohlen sind allgemein mindestens 150 Minuten Ausdauersport plus zweimal 30 Minuten Kraftsport pro Woche. 65 % der Damen schaffen das aber nicht. Postmenopausal bewegen sie sich noch weniger.
150 Minuten pro Woche senken Herzrisiko um 30 %
Physiologisch nimmt mit dem Alter die kardiorespiratorische Fitness, gemessen über die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max), ab. Bei dauerhaft aktiven Frauen bleibt sie aber stets auf einem höheren Niveau als bei inaktiven. Ein Trainingsbeginn in jungen Jahren zahlt sich also langfristig aus. Auch ein späterer Start kann sich lohnen: Durch Ausdauersport lässt sich die VO2max im höheren Alter noch steigern.
Eine Studie mit rund 73.700 postmenopausalen Frauen zeigte, dass sich mit den 150 Minuten pro Woche das kardiovaskuläre Risiko um 30 % senken lässt. Das ergänzende Krafttraining sorgt nicht nur für mehr Muskelmasse, sondern lindert zudem Hitzewallungen, dämpft inflammatorische Vorgänge und bessert die Knochendichte. „Frauen nach der Menopause können durch hochintensives aerobes Training ihr kardiovaskuläres Risiko dem von prämenopausalen angleichen und die Manifestation eines Typ-2-Diabetes verhindern“, erklärte Dr. Hamm. Denn Sport gleicht letztlich alle negativen Wirkungen des fallenden Östrogenspiegels aus.
Quelle: Kongressbericht Rhein-Main Herztage 2024