Kampf dem Herztod beim Sport Wie die sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung aussehen sollte
Der Teilnehmerkreis für die sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung ist weit gefasst: Erwachsenen, die Sport treiben oder damit beginnen möchten, sollte sie angeboten werden. So heißt es in der neuen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und weiterer Fachgesellschaften, darunter auch die DEGAM. Diese plädiert in ihrem Sondervotum aber nur für eine Kann-Empfehlung. Ihrer Auffassung nach werden schädliche Auswirkungen einer generellen Empfehlung nicht genügend berücksichtigt. Denn ein solcher Check-up binde die ohnehin schon knappen personellen Ressourcen und verschlechtere so die Versorgung der übrigen Bevölkerung.
Außerdem könnten viele Patientinnen und Patienten womöglich glauben, Sport dürfe nur nach einer umfänglichen Diagnostik begonnen werden, was sie eher davon abhalten dürfte. Schließlich stelle sich zudem die Frage, ob eine spezifische Sporttauglichkeit nur noch nach einer solchen Untersuchung bescheinigt werden kann, was die DEGAM ablehnt.
Die Autorinnen und Autoren betonen hingegen, dass es sich nur um ein Angebot handelt, nicht um eine Verpflichtung. Sie gehen davon aus, dass der Nutzen der Untersuchung einen möglichen Schaden überwiegt. Schließlich kann die Maßnahme Herzinfarkte und andere potenziell tödlich Ereignisse verhindern. In einer Studie ging nach der Einführung auch die Zahl der Arztkontakte zurück. Ein weiteres Argument: Günstige Ergebnisse lassen sich zur Motivation der Sportwilligen nutzen.
Konkret vorgesehen ist der prophylaktische Gesundheitscheck für alle, die mit einem intensiveren Sport- und Bewegungsprogramm beginnen möchten. Denn zuvor inaktive Menschen tragen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Zwischenfälle. Abhängig vom Gefahrenpotenzial (Disziplin, Intensität und Leistungsniveau) sind auch Folgeuntersuchungen im Abstand von ein bis fünf Jahren sinnvoll. Mit zunehmendem Alter steigt z. B. die Rate schwerwiegender Zwischenfälle und Sportverletzungen. Um Qualität und Sicherheit der Untersuchung zu gewährleisten, sollte die Vorsorgediagnostik von einer Ärztin oder einem Arzt mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin durchgeführt wird.
Themen der Sportanamnese
- Frequenz, Intensität, Dauer und Disziplin
- Vorerfahrungen mit Sport
- Ziele und Umgebungsbedingungen (Hitze, Kälte, Höhe)
- Beschwerden in Ruhe und bei Belastung
- individuelles Risikoprofil
- Hilfsmittel (z. B. Brille) und Mobilitätseinschränkungen
Wichtig für die Einschätzung des Risikos ist eine sorgfältig erhobene medizinischen Vorgeschichte (s. Kästen), am besten mittels standardisierter Fragebögen. Die kardiovaskuläre Gefährdung soll ab einem Alter von 35 Jahren mit validierten Scores erhoben werden (z.B. Arriba, SCORE2). Unerlässlich ist ein Ganzkörperstatus. Schließlich sollen gefährliche Erkrankungen wie Arrhythmien und kardiale Vitien rechtzeitig erkannt werden.
Für Patientinnen und Patienten mit Gelenkschwellungen, artikulären Schmerzen oder eingeschränkter Beweglichkeit sieht die Leitlinie eine fachärztliche Abklärung vor. Gleiches gilt bei einer Instabilität der großen Gelenke sowie bei Bewegungs- oder Klopfschmerzen an der Wirbelsäule (mit und ohne neurologisches Defizit). Auch Personen mit Endoprothesen oder schweren Verletzungen in der Anamnese (Wirbelkörperfrakturen, rezidivierende Gelenkläsionen etc.) sollten z. B. orthopädisch mitbetreut werden. Eine labordiagnostische Untersuchung ist nicht immer erforderlich. Im Bedarfsfall kommt eine Bestimmung von Blutbild, Glukose, HbA1c, Lipidwerten, Leber-/Nierenparametern, Urinstatus und Elektrolyten in Betracht.
Anlassloses EKG verhindert plötzlichen Herztod
Zur Prävention kardialer Zwischenfälle rät die Leitlinie, ein 12-Kanal-Ruhe-EKG zu schreiben, sofern kein aktuelles aus den vergangenen zwölf Monaten vorliegt. Eine italienische Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass diese Maßnahme die jährliche Inzidenz des plötzlichen Herztods bei Leistungssportlern um 89 % reduziert. Inwiefern dies für die Allgemeinbevölkerung zutreffend ist, muss noch geklärt werden. Zwar sprechen Sensitivität und Spezifität von jeweils > 90 % für die Zuverlässigkeit des anlasslosen EKG. Von Nachteil ist das ungünstige Verhältnis von richtig und falsch positiven Befunden (1 zu > 400).
Eine Echokardiografie wird nur bei begründetem Verdacht auf eine strukturelle Erkrankung empfohlen. Ein solcher liegt etwa bei Herzgeräuschen, belastungsabhängigen Beschwerden mit mutmaßlich kardialer Genese oder plötzlichem Herztod in der Familie vor.
Allgemeine Vorgeschichte
- Eigen- und Familienanamnese
- Sporterfahrung (s. Kasten oben)
- Risikokonstellation
- Medikamente
- Ernährungsgewohnheiten
- bisherige Vorsorgeuntersuchungen
- Impfstatus
- Operationen und Verletzungen
- gynäkologische Anamnese
Die Indikation für ein Belastungs-EKG hängt von Untersuchungsbefunden, individuellem Risikoprofil und Beschwerden ab. Auch Sportart, Leistungsniveau und Intensität sind von Bedeutung.
Der Nutzen zum Nachweis hämodynamischer Stenosen ist zwar umstritten, neuere Studien sprechen nach Einschätzung des Autorenteams aber für eine sehr hohe Spezifität für ischämische Veränderungen. Selbst wenn kein hämodynamisch relevanter Engpass nachgewiesen wird, liegt meist eine mikrovaskuläre Dysfunktion vor.
Die Belastungsdiagnostik eignet sich auch zur Einschätzung der körperlichen Fitness. Das ist von besonderer Bedeutung, denn die kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit ist bei Gesunden wie bei Personen mit entsprechendem Risikoprofil ein starker Prädiktor für die Mortalität. Die Evidenz genügt zwar noch nicht für eine generelle Empfehlung dieser Untersuchung, sie erleichtert jedoch die Trainingsgestaltung und hilft dabei, das Bewegungsprogramm passend zu gestalten.
Quelle: S2k-Leitlinie „Sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung“, AWMF Register-Nr 066-002, www.awmf.org