Verdacht auf Bronchialkarzinom Nicht gleich mit Kanonen schießen
Tabakrauch gilt zwar nach wie vor als wichtigster Risikofaktor für Bronchialkarzinome. Doch bis zu einem Viertel der Lungenkrebspatienten hat nie geraucht. Und die Beschwerden, mit denen sich Menschen mit unerkanntem Lungentumor häufig ihren Ärzten präsentieren, können unspezifischer kaum sein.
Hilfreich in diesem Zusammenhang ist der positive prädiktive Wert (PPV), den ein bestimmtes Symptom für das Vorhandensein eines Lungentumors hat, erläutern Dr. Stephen Bradley von der Universität Leeds und Kollegen. Dringend abzuklären ist der Verdacht demnach ab einem PPV von 3 %. Dringlichstes Einzelsymptom mit einem PPV von 17 % ist eine Hämoptyse – die letzlich aber nur bei weniger als 4 % der Lungenkrebspatienten tatsächlich vorliegt. Husten und Dyspnoe sind häufiger.
Wichtigstes bildgebendes Verfahren bei Lungenkrebsverdacht ist der Röntgen-Thorax. Er sollte bei Patienten ab 40 Jahren innerhalb von 14 Tagen erfolgen, wenn mindestens zwei dieser Warnzeichen vorliegen:
- Husten
- Fatigue
- Kurzatmigkeit
- Thoraxschmerzen
- Gewichtsverlust
- Appetitmangel
Angebracht ist diese Untersuchung auch bei anhaltenden oder rezidivierenden Infektionen, Trommelschlegelfingern sowie subklavikulärer oder persistierender zervikaler Lymphadenopathie. Pneumonie über sechs Wochen und länger sollten vor allem bei über 50-Jährigen und Rauchern Anlass zum Röntgen sein. Für Lungenkarzinome hat die Thoraxaufnahme eine Sensitivität von 75,4 %, der negative prädiktive Wert beträgt 99,7 %.
Ein negativer Röntgenbefund schließt das Bronchialkarzinom nicht aus, betonen Dr. Bradley und Kollegen. Bei einem PPV > 1 % und damit mittlerem bis hohem Risiko aufgrund anhaltender Symptomatik plädieren sie für eine baldige CT, insbesondere bei ungeklärter Hämoptyse. Schließlich können auch andere Malignome wie Ovarialkarzinome oder Myelome hinter den unspezfischen Beschwerden stecken.
Bei nur geringem Verdacht auf Lungenkrebs oder andere ernste Erkrankungen und unauffälligem Röntgenbild kann man möglicherweise auf weitere Diagnostik verzichten. Das gilt insbesondere für fortbestehende isolierte Beschwerden mit niedrigem Risiko (PPV < 1 %).
Ungewöhnliche Zeichen
Diese Beschwerden und Symptomkonstellationen können auf Lungenkrebs hindeuten:
- unilaterales Giemen
- Heiserkeit oder Stridor
- Obstruktion der V. cava superior
- Schulterschmerz
- Horner-Syndrom
- Paraneoplasien (Lambert-Eaton-Syndrom, Dermatomyositis u.a.)
Probatorische Therapie entlarvt Refluxbeschwerden
Mittels Spirometrie lassen sich Asthma und COPD feststellen, probatorisch gegebene Protonenpumpenhemmer enttarnen refluxbedingte Symptome. Eine Röntgenkontrolle ist nach zwölf Wochen angebracht.
Wird bei unauffälligem Röntgen-Thorax ein extrapulmonales Malignom vermutet, geben Differenzialblutbild und Entzündungsmarker wichtige Hinweise. CRP und BSG haben einen PPV von 3,5 % für sämtliche Malignome, für Thrombozytose beträgt der Wert bei Männern knapp 12 %, bei Frauen sind es 6 %.
Bei Bluthusten oder pathologischem Röntgenbild ist eine CT mit Kontrastmittel angebracht. Bei neu aufgetretenen Symptomen schließt ein negativer CT-Befund in den vergangenen zwölf Monaten Lungenkrebs aber keineswegs aus.
Quelle: Bradley SH et al. BMJ 2022; 378: e068384; DOI: 10.1136/bmj-2021-068384