Orales Allergiesyndrom Nicht mehr in den sauren Apfel beißen
Immerhin jeder zweite Birkenpollenallergiker leidet gleichzeitig an einem oralen Allergiesyndrom (OAS) mit Reaktionen auf Lebensmittel wie Äpfel, Soja oder Haselnuss. Und in einer Studie mit 73 Patienten gaben 64 % zudem Allgemeinsymptome an, berichtete Prof. Dr. Regina Treudler von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Leipzig.
Größte Bedeutung hat pathophysiologisch das Bet V1 aus der Familie der PR-10-Proteine. Diese Eiweiße sind mit lokalen Symptomen assoziiert und Nordeuropäer haben diesbezüglich eine hohe Sensibilisierungsrate. Da die Proteine Hitze nicht gut überstehen, vertragen die meisten Betroffenen (ein)gekochte Varianten meist recht gut, z.B. Apfelmus.
Gekochtes Allergen wird manchmal vertragen
Wer glaubhaft an einer Inhalationsallergie mit lokalen Reaktionen leidet und systemisch auf ein Nahrungsmittel reagiert, soll einem Positionspapier der European Academy of Allergy and Clinical Immunology zufolge den Verzehr meiden. Menschen, die gekochte oder prozessierte Zubereitungen des Allergens vertragen, raten die Experten zum Stopp, sobald Beschwerden auftreten. Manchem, der trotz Allergie kraftvoll zubeißen möchte, hilft eine kluge Wahl des Obstes. So werden z.B. einige alte Apfelsorten wie Goldparmäne oder Kaiser Wilhelm recht gut toleriert.
Aber es stellt sich natürlich die Frage, ob nicht eine allergen-spezifische Immuntherapie (ASIT) gegen die Pollen auch vor dem assoziierten OAS schützt. Die Studienlage dazu ist sehr heterogen, außerdem bestehen große Unterschiede in den Designs, erklärte Prof. Treudler. So wurden unterschiedliche Allergene mit abweichenden Provokationstestungen untersucht, die verwendeten Extrakte hatten nicht die gleichen Allergengehalte, wurden mal subkutan, mal sublingual appliziert und die Therapiedauer variierte ebenfalls. Dazu kamen noch in vielen Fällen sehr kleine Gruppengrößen.
Prof. Treudler und ihr Team hofften, es besser zu machen und initiierten eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie. Die Patienten erhielten eine subkutane Immuntherapie gegen die birkenassoziierte Sojaallergie. 82 doppelt Sensibilisierte nahmen teil und wurden ein Jahr lang behandelt. Das Verum hatte signifikante Auswirkungen auf die IgG4-Spiegel und klinisch hatten nur noch etwa halb so viele Patienten objektive Symptome nach Exposition (24 % vs. 47 %), doch dieser Parameter erreichte keine Signifikanz.
Weiterführende Untersuchungen lieferten Hinweise darauf, dass IgE- und IgG-Epitope eventuell als Marker für ein Therapieansprechen helfen könnten. Außerdem scheint es für den Erfolg eine Rolle zu spielen, ob die Behandlung subkutan (SCIT) oder sublingual (SLIT) erfolgt. Eine SCIT induziert hohe IgG-Spiegel, eine SLIT darüber hinaus noch allergenspezifische IgA- und IgA2-Antworten.
Es gab auch Versuche, mit dem Nahrungsmittel selbst oral zu desensibilisieren. So erhielten 16 Patienten über acht Monate in ansteigender Dosis verschiedene Apfelsorten. Danach vertrugen sie größere Mengen, hatten im Haut-Pricktest eine geringere Reaktivität und einen IgG4-Anstieg auf Bet V1 sowie auf Mal D1, das Hauptallergen im Apfel.
Immuntherapie nur bei parallelen Atembeschwerden
Letztlich weiß man aber immer noch nicht genau, welche Patienten mit einem oralen Allergiesyndrom wirklich von einer ASIT profitieren. In der Leitlinie heißt es daher, dass eine pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie nur mit einer SCIT oder SLIT behandelt werden soll, wenn bei den Betroffenen gleichzeitig pollenbedingte Atembeschwerden bestehen. Eine orale Applikation befürworten die Experten nur im Rahmen von kontrollierten Studien.
Diese Voraussetzungen müssen für eine ASIT erfüllt sein
- IgE-vermittelte Sensibilisierung nachgewiesen (am besten mittels Hauttest und/oder In-vitro-Diagnostik)
- es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zur klinischen Symptomatik (evtl. Provokationstest durchführen)
- standardisierte bzw, qualitativ hochwertige Extrakte stehen zur Verfügung
- ein Wirksamkeitsnachweis für die geplante Indikation und Altersgruppe liegt vor
- eine Allergenkarenz ist nicht möglich oder reicht nicht aus
Kongressbericht: Allergologie im Kloster 2022