Neue Wege bei Reizdarm-Therapie Nicht-pharmakologische Optionen können viel erreichen

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Leitlinien zur Therapie des Reizdarmsyndroms empfehlen heute standardmäßig auch nicht-pharmakologische Maßnahmen. Leitlinien zur Therapie des Reizdarmsyndroms empfehlen heute standardmäßig auch nicht-pharmakologische Maßnahmen. © peopleimages.com – stock.adobe.com

Aktuelle Leitlinien setzen bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms verstärkt auf nicht-pharmakologische Maßnahmen. Die Low-FODMAP-Diät, lösliche Faserstoffe und innovative Ansätze wie Hypnotherapie und digitale Tools rücken dabei in den Fokus.

Als wesentliche Symptome des Reizdarmsyndroms (RDS)  kennt man Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten. Diese können mild und intermittierend sein, aber auch schwerwiegend und täglich auftreten. An der Pathogenese sind mehrere Mechanismen beteiligt, vor allem eine gestörte Darm-Hirn-Achse, viszerale Hypersensitivität und eine Mikrobiom-Dysbiose. Wie sich diese Faktoren durch nicht-medikamentöse Therapie beeinflussen lassen, hat eine Gruppe um Xiao Jing Wang, Mayo Clinic Rochester, zusammengefasst.

Mehr als 80 % der Menschen mit RDS berichten über nahrungsmittelassoziierte Symptome. Verschiedene Eliminationsdiäten werden deshalb mit mehr oder weniger Erfolg probiert. Am häufigsten agieren Betroffene nach der Versuch-und Irrtum-Methode oder schränken generell den Laktose- oder Glutenverzehr ein. Seltener kommt die Low-FODMAP-Diät (low fermentable oligosaccharides, disaccharides, monosaccharides and polyols) zum Einsatz. Dabei liegt für diese Diät gute Evidenz vor: Nach einer aktuellen Metaanalyse von 13 randomisierten Studien linderte sie die RDS-Symptome effektiver als normale Ernährung und andere Diäten. Die Low-FODMAP-Diät sollte zunächst für sechs Wochen eingesetzt werden, um zu sehen, ob die Patientin oder der Patient anspricht. Wenn dies der Fall ist, sollten Nährstoffe der High-FODMAP-Gruppe schrittweise hinzugefügt werden, um individuelle Trigger zu identifizieren. So kann eine individuell zusammengesetzte Diät bestimmt werden, die möglichst viele der Auslöser meidet.

Evidenz für einen symptomatischen Effekt haben lösliche Faserstoffe, insbesondere das visköse und minimal fermentierbare Psyllium. Es hält Wasser im Darmlumen und beschleunigt damit den Kolontransit – ohne die Reizdarmbeschwerden zu verstärken. Eine Metaanalyse von kontrollierten Studien fand eine signifikante Reduktion der globalen Symptome, der nur bei löslichen, nicht bei unlöslichen Faserstoffen gesehen wurde. Die AGA*-Leitlinie empfiehlt die Einnahme 25–35 g löslicher Faserstoffe pro Tag.

Große Metaanalysen fanden heraus, dass Probiotika positive Effekte auf die RDS-Symptomatik und die Bauchschmerzen haben. Welche Stämme und Kombinationen am effektivsten sind, ist allerdings noch unklar. Aufgrund der Heterogenität der Studien wurde in amerikanischen Leitlinien daraus keine Empfehlung für Probiotika. Die britische gastroenterologische Gesellschaft empfiehlt Interessierten trotz der limitierten Evidenz einen zeitlich begrenzten Versuch über zwölf Wochen. Tritt keine Verbesserung ein, sollten die Probiotika wieder abgesetzt werden.

Minze, Cannabis und chinesische Kräuter

Aus dem Bereich der Phytotherapie hat vor allem Minzöl spasmolytische Eigenschaften. Einem aktuellen Review zufolge ist es bei der Behandlung von Reizdarmbeschwerden und Abdominalschmerzen Placebo überlegen. Bedacht werden müssen allerdings die Nebenwirkungen wie Reflux, Dyspepsie und Blähungen. Cannabidiol in Kaugummis war in einer Studie bei der Behandlung von Reizdarmbeschwerden nicht erfolgreicher als Placebo. Verschiedene Cannabisderivate zeigten in weiteren Studien keine signifikanten Effekte. Aus der traditionellen chinesischen Medizin wurde die aus vier Kräutern bestehende Formulierung Tongxie Yaofang besonders intensiv untersucht. Sie war bei Reizdarm-Betroffenen der Behandlung mit Placebo überlegen.
 

Mit der kognitiven Verhaltenstherapie und der darmgerichteten Hypnotherapie werden psychosoziale Prozesse und Faktoren adressiert, die zu einer Dysregulation der Darm-Hirn-Achse führen. Beide Therapieformen haben nachhaltige Effekte bei RDS auch nach deren Beendigung gezeigt.

Zur kognitiven Verhaltenstherapie gehören Entspannungsverfahren, die kognitive Restrukturierung sowie Stärkung der Problemlösungskompetenz und der Coping-Kapazität. Immer mehr Bedeutung gewinnen dabei Selbstmanagement-Trainingsprogramme. Auch sie können die Schwere von RDS-Symptomen vermindern und die Lebensqualität verbessern.

Zur Selbstanwendung wurden auch einige digitale Tools entwickelt. Eine signifikante Besserung von RDS-Beschwerden, Lebensqualität und Stimmung wurde in einer randomisierten Studie erreicht mit einer telefonbasierten kognitiven Verhaltenstherapie und dem webbasierten (nicht mehr verfügbaren) Tool Mahana IBS. Auch digitale Tools zur Hypnotherapie haben positive Effekte gezeigt. Ergänzend können auch Akupunktur, Meditation, Yoga, Physiotherapie und regelmäßige körperliche Aktivität zur Linderung der Beschwerden beitragen. Inwieweit Virtual Reality dies vermag, wird derzeit in Studien untersucht.

*American Gastroenterological Association

Quelle: Wang XJ et al. BMJ 2024; 387: e075777; doi: 10.1136/bmj‑2023‑075777