Diabetes und Bewegung Von Exergaming bis Power-Staubsauging

Autor: Dr. Karin Kreuel

Mit intensivem Staubsaugen kann das Sterberisiko gesenkt werden. Mit intensivem Staubsaugen kann das Sterberisiko gesenkt werden. © demaerre/gettyimages

Auch wenn Expert*innen um die neuen europäischen Ernährungsempfehlungen gerungen haben – am Ende steht die Botschaft, dass Ernährungsmuster und Auswahl von Nahrungsmitteln im Vordergrund stehen sollten. Auch sinnvoll: mehrmals am Tag kurz „mit Volldampf“ und Spaß in Bewegung sein. 

In den neuesten, evidenzbasierten europäischen Empfehlungen1 der Diabetes Nutrition Study Group der EASD hat die Ernährungstherapie bei Diabetes wieder einen hohen Stellenwert. Professor Dr. Andreas Pfeiffer von der Berliner Charité erläuterte die Erkenntnisse der DiRECT-Studie zum Nutzen einer nachhaltigen Gewichtsabnahme bei Menschen mit Übergewicht/Adipositas, durch die eine Remission des Typ-2-Diabetes erreicht werden kann. 

„In Deutschland ist der Einsatz von Formuladiäten eher verpönt“, weiß Prof. Pfeiffer. Aber die aktuelle Leitlinie empfiehlt die niedrig-kalorischen Diätprodukte, entweder temporär als kompletten Mahlzeitenersatz oder über längere Zeit, indem ein bis zwei Mahlzeiten pro Tag ersetzt werden. Für eine langfristige Gewichtstabilisierung wird auch der Ersatz von einer täglichen Mahlzeit oder von drei bis sechs Mahlzeiten pro Woche als sinnvoll erachtet. 

Bei Kohlenhydraten kommt es nicht so sehr auf die Menge an 

Für die adäquate Ernährung im Alltag gibt der neue Konsens für Menschen mit Diabetes ebenfalls Antworten: Bei Kohlenhydraten kommt es nicht so genau auf die Menge an, sofern die Empfehlungen im Hinblick auf Ballaststoffe, Zucker, gesättigte Fette und Protein erfüllt werden. Sowohl von besonders kohlen­hydratreichen als auch von ketogenen Ernährungsformen rät Prof. Pfeiffer ab, denn beide Extreme sind mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert. Daneben plädiert er dafür, Patient*innen lieber zu kompletten Ernährungsmustern bzw. nahrungsmittelbezogenen Empfehlungen zu raten – z.B. zur besonders gut untersuchten mediterranen Ernährungsweise. Lebensmittel sollten möglichst wenig verarbeitet sein; der Konsum von Obstsäften, Limonaden, Süßigkeiten, Weißbrot und Fleisch sollte minimiert werden. 

Ohne Freude an der Bewegung gibt es ein Umsetzungsproblem

Auch Bewegung jeglicher Art wirkt sich positiv auf Glukosestoffwechsel und andere diabetesbezogene Parameter aus. Die höchste Wirksamkeit bei der Verbesserung des HbA1c-Wertes zeige überwachtes aerobes Training kombiniert mit Widerstandstraining. Doch es gelte, die individuellen Präferenzen he­rauszufinden. Denn ob E-Bike oder normales Fahrrad, Wandern, Exergaming an der Spielkonsole oder Treppensteigen – ohne Freude an der Bewegung hat die „Powerpille Sport“ ein Umsetzungsproblem, betonte Prof. Dr. Christian Brinkmann von der Deutschen Sporthochschule Köln. 

Effektive Trainingsmethoden stünden immer im Spannungsfeld von Machbarkeit und Akzeptanz. Anstatt von „Sport“ solle besser von „Bewegung“ gesprochen und die Bedeutung von Alltagsaktivitäten betont werden. Für Lacher sorgten Prof. Brinkmanns Worte, es sei „gut, sich um anstrengende Hausarbeit zu reißen“. Dieser Tipp beruht auf einer langjährigen Studie mit mehr als 25.000 Personen: Bereits drei Phasen pro Tag mit mindestens einer Minute Anstrengung führten zu einer deutlichen Senkung des Sterberisikos.2 Dazu zählten alltägliche Aktivitäten wie „Power-Staubsauging“ oder das Tragen eines schweren Einkaufskorbs.

Literatur:

  1. Diabetes and Nutrition Study Group (DNSG) of the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetologia 2023; 66 (6): 965-985; doi: 10.1007/s00125-023-05894-8

  2. Stamatakis E et al. Nat Med 2022; 28 (12): 2521-2529; doi: 10.1038/s41591-022-02100-x