Kolorektales Karzinom Organisiertes Screening: Je mehr teilnehmen, desto besser

Autor: Dr. Judith Lorenz

Forschende untersuchen, wie wirksam ein organisiertes Koloskopie-Screeningprogramm vor Darmkrebs schützen kann. Forschende untersuchen, wie wirksam ein organisiertes Koloskopie-Screeningprogramm vor Darmkrebs schützen kann. © DOC RABE Media – stock.adobe.com

Ein bevölkerungsbasiertes Koloskopiescreening senkt das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Dieser Effekt ist um so stärker, je mehr Menschen das Früherkennungsangebot tatsächlich auch in Anspruch nehmen.

Das kolorektale Karzinom ist die dritthäufigste Tumorerkrankung und die zweithäufigste Ursache krebsbedingter Todesfälle weltweit. Es biete sich daher als Ziel für ein organisiertes Koloskopie-Screeningprogramm an, schreiben Prof. Dr. Michael Bretthauer von der Universität Oslo und sein Team. Wie wirksam diese Strategie vor Darmkrebs bzw. damit verbundenen Todesfällen schützt, untersuchten sie gemeinsam mit weiteren Forschenden im Rahmen der NordICC-Studie. 

An der großen randomisierten Untersuchung beteiligten sich Zentren in Polen, Norwegen, Schweden und den Niederlanden. Zwischen 2009 und 2014 identifizierten die Wissenschaftler:innen mithilfe der jeweiligen staatlichen Bevölkerungsregister 84.585 Männer und Frauen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren, die bislang nicht an einem kolorektalen Karzinom erkrankt waren. 28.220 zufällig ausgewählte Personen luden sie einmalig zu einer Screening-Koloskopie ein. 

Nach zehn Jahren 18 % weniger Neuerkrankungen

Die übrigen 56.365 Bürger:innen erhielten dagegen keine Einladung und bildeten die Kontrollgruppe. In den Wohnregionen der Studienteilnehmenden existierte kein organisiertes kolorektales Früherkennungsprogramm, schreiben die Autor:innen. Anhand der nationalen Krebs- und Sterberegister prüften die Forschenden, wie viele Personen im Verlauf der folgenden zehn Jahre ein kolorektales Karzinom entwickelten und daran bzw. insgesamt starben.

Insgesamt 11.843 der eingeladenen Bürger:innen (42 %) absolvierten die Screeningendoskopie. In Norwegen betrug die Screeningrate 60,7 %, in Polen dagegen nur 33 %. Im Rahmen der Untersuchung erhielten 62 Betroffene (0,5 % der Screeningteilnehmenden) die Diagnose kolorektales Karzinom und bei 3.634 (30,7 %) wurden Adenome reseziert. Im Verlauf der zehnjährigen Nachbeobachtungszeit entwickelten 259 der zum Screening eingeladenen Bürger:innen (0,98 %) und 622 Kontrollen (1,20 %) ein kolorektales Karzinom. Das Risiko reduzierte sich ­signifikant um 18 %. 

Risiken der Koloskopie

Eine schwere Blutung nach der Polypektomie erlitten 15 Personen (0,13 %). Perforationen oder Todesfälle in Zusammenhang mit der Endoskopie beobachteten die Forschenden innerhalb von 30 Tagen nach dem Screening nicht. 

Um innerhalb von zehn Jahren einen einzigen Darmtumor zu verhindern, müssten 455 Menschen zum Screening eingeladen werden. Die Rate der aufgrund eines kolorektalen Karzinoms Verstorbenen unterschied sich mit 0,28 % vs. 0,31 % zwischen den beiden Studienarmen nicht wesentlich. Auch die Gesamtsterberate war in beiden Kollektiven mit rund 11 % ähnlich hoch. 

Krebsmortalität hätte sogar halbiert werden können

Wären alle angeschriebenen Personen der Screeningeinladung gefolgt, hätte sich das Tumorrisiko um 31 % senken lassen und das Krebssterberisiko hätte halbiert werden können, unterstreichen Prof. Bretthauer und Kolleg:innen abschließend. Weitere Langzeituntersuchungen seien notwendig, um die Effekte des Koloskopiescreenings vollständig erfassen zu können. 

Quellen:
Bretthauer M et al. N Engl J Med 2022; 387: 1547-1556; DOI: 10.1056/NEJMoa2208375