Digitaler Zwilling mit KHK  Patientenkopien könnten Krankheiten vorhersagen und die personalisierte Behandlung verbessern

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Damit könnte er den Menschen dabei unterstützen, genauere, zeitnahe und fundierte klinische Entscheidungen zu treffen. 
Damit könnte er den Menschen dabei unterstützen, genauere, zeitnahe und fundierte klinische Entscheidungen zu treffen. © Muhas - stock.adobe.com

Ein digitaler Zwilling imitiert sein physisches Vorbild – auf Basis von Informationen zu Gesundheit und Verhalten des jeweiligen menschlichen Körpers. Er könnte dadurch eines Tages eine reale Unterstützung bei der personalisierten Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen werden.

Digitale Zwillinge haben sich bereits in der Luft- und Raumfahrt sowie im Bauwesen etabliert. Eine US-amerikanische Forschergruppe ist jetzt der Frage nachgegangen, wie weit solche Technologien in der Präzisionsmedizin bereits vorangeschritten sind und ob sie künftig Einzug in die personalisierte kardiovaskuläre Medizin halten könnten. Dabei haben die Forschenden fünf Kriterien definiert, die ein digitaler Zwilling in diesem Bereich erfüllen sollte:

  • Durch Modellierung und Simulation repräsentiert der digitale Zwilling eine personalisierte, virtuelle Version seines physischen Zwillings.
  • Mithilfe von Sensoren und Aufzeichnungen aus der Vergangenheit werden Daten des physischen Zwillings erfasst.
  • Es muss ein Datenfluss vom physischen zum virtuellen Zwilling bestehen, um die digitale Repräsentation zu kalibrieren und zu aktualisieren. Hierdurch sollen gesundheitsbezogene Parameter geschätzt werden, die nicht direkt beobachtbar sind.
  • Es muss ein Informationsfluss vom virtuellen zum physischen Zwilling geschaffen werden, um positive Veränderungen im physischen Zwilling zu bewirken.
  • Diese Veränderungen müssen durch den Menschen initiiert werden. 

Im Kontext der kardiovaskulären Gesundheit würde der digitale Zwilling beispielsweise einer digitalen Version des Herz- und Gefäßsystems entsprechen. Die kontinuierliche Aktualisierung und Anpassung erfolgt zum Beispiel auf Basis von Krankenakten, klinischen Daten wie Bildgebungsaufnahmen sowie genetischen und demografischen Daten. Zudem können Sensoren (z. B. in Wearables) Informationen zu physiologischen, biochemischen und umweltbezogenen Daten beisteuern. 

Indem all diese Gesundheitsdaten in das System eingespeist werden, wäre der digitale Zwilling in der Lage, das dynamische Verhalten des Organsystems genau und kontinuierlich zu verfolgen und nachzuahmen, den Gesundheitszustand seines physischen Abbildes zu bewerten und Vorhersagen über den Ausbruch von Krankheiten zu treffen. Damit könnte er den Menschen dabei unterstützen, genauere, zeitnahe und fundierte klinische Entscheidungen zu treffen. 

Digitaler Zwilling gibt Feedback bei Risiken

Im Bereich der Kardiologie wäre es außerdem denkbar, dass das digitale Pendant Rückmeldungen über das Risiko eines unerwünschten Ereignisses wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall gibt. Indem er Daten zur kardiovaskulären Gesundheit über Monate und Jahre hinweg sammelt, aufbewahrt und analysiert, könnte ein digitaler Zwilling zudem den Gesundheitszustand einer Person im Vergleich zu ihrem Ausgangszustand beurteilen. So ließe sich eine Krankheit präziser und effektiver diagnostizieren und eine personalisierte Behandlungsplanung verbessern.

Bei der technischen Modellierung physiologischer Systeme wurden in den letzten fünfzig Jahren enorme Fortschritte erzielt. Bis solche Modelle in die klinische Praxis überführt werden können, müssen jedoch noch einige Herausforderungen gemeistert werden, vor allem im Bereich der Personalisierung und Kontextualisierung dieser Modelle, resümiert die Forschungsgruppe.

Quelle: Sel K et al. J Am Heart Assoc 2024; 13: e031981; DOI: 10.1161/JAHA.123.031981