Talgdrüsenkarzinom Pfropf im Schopf
Tumoren der Hautadnexe – ob gut- oder bösartig – können von Talgdrüsen oder Haarfollikeln ausgehen, manche weisen eine Differenzierung hin zu apokrinen oder ekkrinen Schweißdrüsen auf und gelegentlich gibt es Mischformen. Talgdrüsenkarzinome sind mit 23 % die häufigsten Adnexmalignome, erklären Dr. Roman Saternus und Prof. Dr. Thomas Vogt von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Drei von vier dieser Tumoren sitzen (peri-)okulär.
Das Malignom kann sich in jedem Alter manifestieren, besonders häufig erkranken Patienten zwischen 60 und 80 Jahren. Neben höherem Lebensalter zählen eine stattgehabte Strahlentherapie, Immunsuppression und das hereditäre Muir-Torre-Syndrom zu den Risikofaktoren. Bei Letzterem kommt es zu einer fehlenden oder verminderten Expression von Mismatch-Repair-Proteinen (MMR). Auch Mutationen im DNA-Reparatur-Gen MUTYH, die mit einer Polyposis coli einhergehen, können sebazär differenzierte Neoplasien auslösen.
Klinisch imponiert das Talgdrüsenkarzinom als kleiner, tiefsitzender Knoten mit fester Konsistenz und langsamem Wachstum. Er bildet sich überwiegend am Oberlid, was möglicherweise auf die dort erhöhte Dichte der Meibomdrüsen zurückzuführen ist. Extraokuläre Tumoren können sich in allen Körperarealen mit Talgdrüsen entwickeln. Besonders häufig geschieht dies wegen des vermehrten Vorkommens dieser Glandulae an Kopf und Hals.
In etwa einem Drittel der Fälle macht sich der charakteristische rosafarbene bis rotgelbe Nodus durch eine Blutung bemerkbar. Die Karzinome können optisch im Fall von Keratinisierungszonen einem Plattenepithelkarzinom ähneln oder wie ein benignes Sebazeoma aussehen. Eine Abgrenzung zum Bowenkarzinom ist vor allem bei hellzelligem Epidermotropismus erforderlich. Ein Basalzellkarzinom mit Talgdrüsendifferenzierung fällt durch ein „Clefting“ und „Palisading“ am Rand der Nester auf.
Metastasierung bei etwa Viertel der Patienten
Differenzialdiagnostisch hilft die Immunhistologie weiter: Ein EMA*- und Ber-EP4**-positiver Immunphänotyp spricht für ein Talgdrüsenkarzinom. Ein EMA-positiver und Ber-EP4-negativer Befund deutet auf ein Plattenepithelkarzinom hin. Ein EMA-negativer und Ber-EP4-positives Neoplasma ist am ehesten ein Basalzellkarzinom. Als Goldstandard der Therapie wird die weite chirurgische Exzision mit Schnittrandkontrolle empfohlen.
Mit einer Metastasierung muss man in etwa einem Viertel der Patienten rechnen. Hinsichtlich der 5-Jahresüberlebensrate zeigte sich in einer Fallserie ein numerischer, aber nicht signifikanter Unterschied zwischen orbitaler und extraorbitaler Lokalisation (75 % vs. 68 %). Die Prognose des Talgdrüsenkarzinoms hängt von der Dicke und der infiltrativen Aktivität ab. Sie ist mit der des kutanen Plattenepithelkarzinoms vergleichbar, weshalb Therapie und Nachsorge analog erfolgen sollten.
* epitheliales Membranantigen
** Antikörper gegen das „epithelial cell adhesion molecule“
Quelle: Saternus R, Vogt T. „Maligne Adnextumoren der Haut“, Akt Dermatol 2022; 48: 170-180; DOI: 10.1055/a-1774-9678 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York