Spannungskopfschmerz verifizieren Physiotherapie gegen Kopfweh

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Neurophysiologisch betrachtet hängen Kopf- und Nackenschmerzen zusammen. Neurophysiologisch betrachtet hängen Kopf- und Nackenschmerzen zusammen. © Dragana Gordic – stock.adobe.com

Mitunter gehen Migräne und Kopfschmerzen mit Verspannungen in Nacken und Schulter einher, die zur Verstärkung der Beschwerden beitragen. Adäquate Physiotherapie kann diesen Teufelskreis durchbrechen und die Symptome nachhaltig lindern.

Neurophysiologisch betrachtet hängen Kopf- und Nackenschmerzen durch Konvergenzen des Nervus trigeminus mit den afferenten Fasern der Spinalnerven C1–C3 zusammen. Während einer Kopfschmerz- oder Migräneattacke wird das trigeminale System aktiviert, was sich auf die Wurzeln der Nervi cervicales auswirkt. Durch deren Koaktivierung verstärken sich Schmerzwahrnehmung und Muskelspannung in der Nackenregion, erläutern Benjamin Schäfer von der Migräne- und Kopfschmerzklinik in Königstein im Taunus und Prof. Dr. Kerstin Lüdtke vom Fachbereich Physiotherapie an der Universität zu Lübeck. Deutlich wird dieser Zusammenhang anhand der Tatsache, dass bestimmte manualtherapeutische Maßnahmen migräneartige Beschwerden auslösen können.

Physiotherapie nicht für jeden Patienten sinnvoll

Physiotherapie ist nur dann sinnvoll, wenn Gelenk- und Muskelfunktion im Nackenbereich pathologisch verändert sind. Dies lässt sich einem Expertenkonsensus folgend mit elf Tests verifizieren. Bei Patienten mit Migräne fallen sechs davon häufiger pathologisch aus als bei gesunden Kontrollpersonen, nämlich: 

  • passive Gelenkuntersuchung
  • Triggerpunktuntersuchung
  • kraniozervikaler Flexionstest
  • Flexions-Rotations-Test
  • Symptomreproduktion und Symptomrückgang bei gehaltener Zusatzbewegung
  • thorakales Screening

Bei Patienten mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp finden sich gehäuft myofasziale Triggerpunkte. Oft liegen auch eine nach anterior verschobene Kopfposition und reduzierte Druckschmerzschwellen vor.

Physiotherapeutische Verfahren werden in den Migräneleitlinien nicht erwähnt. In den nationalen und internationalen Empfehlungen zum Spannungskopfschmerz wird hingegen zu verschiedenen Formen von Physiotherapie geraten, etwa:

  • manualtherapeutische Gelenkmobilisation
  • Weichteiltechniken wie Detonisierung und Triggerpunkttherapie
  • Stabilisierungsübungen

Metaanalysen zeigen für zervikogene Kopfschmerzen, Migräne und Spannungskopfschmerzen eine Reduktion der Intensität durch manuelle Therapien und Ausdauersport. Die Manualtherapie scheint ähnlich effektiv zu sein wie eine medikamentöse Prophylaxe. 

Die Autoren eines systematischen Reviews kamen zu dem Ergebnis, dass sich ein klinisch relevanter Effekt auf die Migräne nur mit einer Kombination verschiedener Verfahren erreichen lässt. Sie nennen in diesem Zusammenhang u.a.: 

  • spezielle Atemtechniken
  • Dehnübungen
  • manuelle Therapie
  • Triggerpunkttherapie
  • Heimübungsprogramme

Krafttraining scheint sowohl bei Migräne als auch beim Spannungskopfschmerz besser zu wirken als Ausdauersport. Bei der Physiotherapie mindern einer Übersichtsarbeit zufolge Weichteiltechniken die Intensität und Häufigkeit der Kopfschmerzen etwas effektiver als manuelle Verfahren. 

Geregelte Lebensführung ist immer von Nutzen 

Aerobes Ausdauertraining wird für alle Kopfschmerzformen empfohlen, schreiben die beiden Autoren. Doch insbesondere Migränepatienten fürchten Sport als Attackenauslöser. Es gibt Hinweise darauf, dass hochintensive Intervallübungen effektiver sind als niedrig dosierter Ausdauersport.

Alle Patienten mit Kopfschmerzen profitieren zudem von einer Lebensführung mit gleichmäßigem Schlaf-Wach-Rhythmus, geregelten Mahlzeiten, ausreichenden Erholungspausen, Entspannungsübungen und effektivem Stressmanagement. Unbestritten von Nutzen ist auch ein multimodales Programm zur Psychoedukation der Patienten. Es sollte u.a. Heimübungen, Maßnahmen zur Ergonomie in Beruf und Freizeit sowie neurophysiologische Erläuterungen des Krankheitsbildes umfassen.

Quelle: Schäfer B, Lüdtke K. Nervenheilkunde 2024; 43: 115-119; DOI: 10.1055/a-2218-8753