Genderaspekte bei COPD Prognoserelevante Unterschiede in Komorbidom und Pulmorbidom
Erst im vergangenen Jahr erschien eine dekorative Graphik im „Blue Journal“, die das Komorbidom der COPD sehr anschaulich mit vielen Knöpfen unterschiedlicher Farben und Größen illustrierte.1 Die Knopfgröße signalisierte die Prävalenz der Begleiterkrankung, die Farbe das Fachgebiet, aus dem sie stammt, und die Nähe zum Kreismittelpunkt ihre Bedeutung für das Sterberisiko. So ansprechend das Bild aussah, hatte es doch einen Schönheitsfehler: Unter den 1.659 analysierten Patienten befanden sich nur 182 Frauen, das sind gerade mal 11 %, bemängelte PD Dr. Franziska Trudzinski von der Thoraxklinik der Universität Heidelberg.
Gemeinsam mit Kollegen hat sie deshalb anhand des deutschen COPD-Registers COSYCONET eine neue, gendergerechtere Analyse zum Mortalitätsrisiko durch Komorbiditäten angefertigt.2 Die Datenbasis lieferten 2.575 Patienten, 1.044 Frauen und 1.531 Männer mit COPD-Erkrankungen aller Schweregrade, darunter auch 400 Teilnehmer „at risk“, also mit Symptomen, aber noch ohne COPD-Diagnose. Das Follow-up erstreckte sich über 4,4 Jahre.
FEV1 erschlägt alle anderen Prognoseindikatoren
Einen gesonderten Blick warfen die Studienautoren auf das sog. Pulmorbidom, d.h. lungenspezifische Begleiterkrankungen, die sich oft schwer gegen die COPD abgrenzen lassen. Dazu gehörten Asthma, chronische Bronchitis, Emphysem, Bronchiektasie, Tuberkulose in der Vorgeschichte, eingeschränkte DLCO, Hyperinflation und Atemwegsobstruktion.
Der Beitrag pulmonaler Komorbiditäten zur Prognose erwies sich als schwierig zu ermitteln, weil die FEV1 als Prognoseindikator alle anderen Risikofaktoren quasi erschlägt, erläuterte die Kollegin. Trotzdem hält sie die Ergebnisse für interessant. So fanden sich viele Elemente des Pulmorbidom bei Frauen signifikant häufiger, etwa Asthma, Emphysem und Überblähung, während Männer häufiger eine Schlafapnoe und Atemwegsobstruktionen zeigten.
Auch bei den extrapulmonalen Begleiterkrankungen, dem Komorbidom, ließen sich signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern finden. Männer litten häufiger an kardiovaskulären Erkrankungen, insulinpflichtigem Diabetes und Alkoholabusus. Bei Frauen kamen Kachexie, Osteoporose und psychische Komorbiditäten häufiger vor.
Man darf allerdings Prävalenz nicht mit Sterberisiko gleichsetzen, warnte Dr. Trudzinski. So wiesen Männer zwar häufiger eine Schlafapnoe auf, doch die Mortalität steigerte diese Komorbidität nur bei Frauen. Umgekehrt hatten Frauen häufiger eine Osteoporose, aber nur bei Männern ging sie mit einem erhöhten Sterberisiko einher. Wichtig und unterschätzt ist die chronische Niereninsuffizienz, die in der anfangs erwähnten Analyse überhaupt nicht vorkam. In der deutschen Studie hatte sie bei beiden Geschlechtern eine Prävalenz von etwa 10 % und steigerte die Gefahr zu sterben um 60 % bei Männern und 260 % bei Frauen.
Kongressbericht: 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
Quellen: 1. Divo M et al. Am J Respir Crit Care Med 2021; 186: 155-161; DOI: 10.1164/rccm.201201-0034OC / 2. Trudzinski F et al. Sci Rep 2022; 12: 8790; DOI: 10.1038/s41598-022-12828-8