Nervus peroneus Prominenter Kopf macht Druck
Der N. peroneus communis ist neben dem N. tibialis der zweite Hauptast des N. ischiadicus. Allerdings, so Dr. Heinrich Binsfeld aus Drensteinfurt, existiert der N. ischiadicus bei genauerer Betrachtung eigentlich nicht, zumindest nicht beim Menschen. Denn die zwei Hauptäste treten getrennt aus dem Plexus lumbosacralis aus, werden aber von einer bindegewebigen Schicht umhüllt, was sie anatomisch wie einen dicken Nerven erscheinen lässt.
Auf dem Weg Richtung Unterschenkel verlassen die zwei diese Hülle wieder, der N. peroneus communis gibt einen Hautast ab und teilt sich dann in seine beiden Hauptäste, die Nn. peroneus superficialis und profundus. Sie steuern die Funktion der Wadenbeinmuskeln, des M. tibialis anterior und der Zehenstrecker. Zudem besitzt der profunde Nerv sensible Fasern für Bereiche am lateralen Unterschenkel und Fußrücken.
Zur Häufigkeit von Kompressionssyndromen des N. peroneus communis liegen keine eindeutigen Zahlen vor. Aber es ist bekannt, dass besonders auf Höhe des Fibulaköpfchens Schäden drohen, wo der Nerv direkt über dem Knochen liegt. Schon allein kniende Tätigkeiten und langes Sitzen, vor allem mit übereinander geschlagenen Beinen, können dafür verantwortlich sein. Deutlich seltener gerät der Peroneus im Bereich von Unterschenkel, Sprunggelenk oder Fuß unter Druck.
Häufig treten Paresen nach einer OP in Narkose auf
Die klinisch größte Bedeutung haben postoperative Paresen, z.B. infolge einer Lagerung ohne Schutz des Fibulaköpfchens oder durch Schienen bzw. Gipsverbände. Auch Traumata wie eine Kniegelenkluxation oder Erkrankungen in diesem Bereich (Baker-Zyste, Ganglion) sind mögliche Ursachen einer Kompression.
Eine Läsion des Nerven macht sich zunächst durch Schmerzen bemerkbar, die lateral am Knie beginnen und dann in Unterschenkel und Fußrücken ausstrahlen. Recht schnell kommen Paresen dazu, typisch ist die schlaffe Lähmung des Fußes. Der Betroffene kann aktiv keine Dorsalextension mehr durchführen und muss sein Bein beim Gehen unnatürlich hoch anheben; es resultiert der Steppergang. Außerdem gelingt die Pronation des Fußes nicht mehr.
Liegt der Schaden im N. peroneus profundus (vorderes Tarsaltunnelsyndrom), gesellt sich zur Extensorenschwäche ein Taubheitsgefühl zwischen der ersten und zweiten Zehe hinzu. Ein isolierter Ausfall des N. peroneus superficialis dagegen führt zur Hypästhesie an Fußrücken und Dorsalseite der Zehen, beim Gehen setzen die Patienten mit der seitlichen Fußkante auf.
In der klinischen Untersuchung kann ein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen auffallen: Das Beklopfen des Nervs auf Höhe der Kompression löst Missempfindungen aus.
Mit MRT oder Sonografie potenzielle Tumoren suchen
Unverzichtbar sind laut Dr. Binsfeld die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit sowie eine Elektromyografie. Sie liefern wichtige Daten zum Schweregrad der Schädigung. Bestehen nach diesen Tests noch Unsicherheiten, bieten sich eine Magnetresonanztomografie oder Sonografie des Nervs an; damit lassen sich zum Beispiel auch Tumoren als mögliche Ursache ausmachen. Differenzialdiagnostisch auszuschließen sind eine Nervenwurzelläsion im Bereich der Lendenwirbelsäule (L5-Syndrom), eine Mononeuritis multiplex, Polyneuropathien sowie eine Amyotrophe Lateralsklerose. Selten können auch kortikale Läsionen eine ähnliche Symptomatik hervorrufen.
Therapeutisch steht das konservative Vorgehen im Vordergrund. Der Nerv muss vor weiterem mechanischem Druck geschützt werden. Physiotherapie und die elektrische Stimulation des M. tibialis anterior unterstützen die Behandlung. Spezielle Peroneusschienen stabilisieren beim Gehen und schützen vor Stürzen. Verbessern sich Lähmung und/oder Sensibilitätsstörungen nicht, kommt eine Operation zur Dekompression infrage. Dabei wird der Nerv in Höhe des Fibulaköpfchens freigelegt und weiter distal entlastet, indem der Sehnenansatz des M. peroneus longus eingekerbt wird. Je nach Erfahrung des Chirurgen sind auch endoskopische Eingriffe möglich. Im Gegensatz zur Dekompression versprechen Operationen mit dem Ziel einer Wiederherstellung des Nerven meist wenig Erfolg.
Quelle: Binsfeld H. Schmerzmedizin 2023; 39: 36-39, DOI: 10.1007/s00940-023-4158-5