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Metastasen Protein kann Ausbreitung von Krebs hemmen

Autor: Bianca Lorenz

Ohne das Protein wanderten die Zellen deutlich schneller. Ohne das Protein wanderten die Zellen deutlich schneller. © freshidea – stock.adobe.com
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Krebszellen können über die Blut- oder Lymphgefäße in andere Teile des Körpers wandern und Metastasen bilden. Wissenschaftler haben nun ein Protein entdeckt, das dieses Ausschwärmen stören kann.

Ob ein Tumor Metastasen bildet, entscheidet wesentlich über den Behandlungserfolg mit. Warum sich bei manchen Patienten Tochtergeschwulste bilden, bei anderen aber nicht, war bislang nicht klar. Forschende des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) um Prof. Daria Siekhaus haben nun wichtige neue Erkenntnisse gewonnen, die dabei helfen werden, diesen Prozess bei bestimmten Krebsarten besser zu verstehen. Dafür haben sie die Rolle eines Proteins MFSD1 untersucht. Dieses Protein ist mit einem anderen verwandt, das die Zellmigration in Fruchtfliegen beeinflusst.

Zellmigration verhindern

Um die Rolle des Proteins auf Säugetieren übertragen zu können, erzeugte Marko Roblek, der Erstautor der Studie1 Krebszellen von Mäusen, denen dieses Protein fehlte. Das Ergebnis: Ohne das Protein wanderten die Zellen deutlich schneller – ein Hinweis darauf, dass MFSD1 die Zellen an der Bewegung hindert. Zusammen mit Kollegen der Universität Zürich testete das Siekhaus-Team seine Theorie an lebenden Mäusen mit Brust-, Darm- und Hautkrebs. Daria Siekhaus: „In Abwesenheit von MFSD1 kam es zu einem starken Anstieg der Metastasierung.“

Widerstand gegen Hunger und Stress

„Anschließend wollten wir wissen, warum niedrigere MFSD1-Werte für den Tumor von Vorteil sind, abgesehen davon, dass sich Tumorzellen freier bewegen können. Wenn Krebszellen etwa durch das Blut wandern, sind sie großen mechanischen Belastungen ausgesetzt“, erklärt Marko Roblek. Der Forscher imitierte das und versuchte, die Zellen mit einem winzigen Gummischaber von der Petrischale abzukratzen. Das Resultat: Krebszellen, die MFSD1 enthielten, starben schnell unter dieser mechanischen Belastung, die meisten Zellen ohne das Protein blieben dagegen intakt. Das legt den Schluss nahe, dass Tumorzellen, denen das Protein fehlt, leichter in die Blutbahn gelangen und weiterwandern können als andere. Außerdem untersuchten die Wissenschaftler, wie die Krebszellen mit einem Mangel an Nährstoffen umgehen und kamen zu einem ähnlichen Ergebnis: Zellen ohne MFSD1 lebten länger.

Hoher MFSD1-Spiegel unterdrückt Metastasierung

Das Protein beeinflusst offenbar bestimmte Rezeptoren an der Zelloberfläche. Diese so genannten Integrine sorgen dafür, dass die Zellen aneinander und an der extrazellulären Matrix haften. Fehlt einer Tumorzelle MFSD1, kann sie eine bestimmte Art von Integrin nicht recyceln. „Das hat zur Folge, dass die Zellen weniger am umgebenden Gewebe und aneinander haften, wodurch sie leichter wandern können“, so Daria Siekhaus.

Diese Forschungsergebnisse werden auch von Patientendaten gestützt, die von Rita Seeböck vom Universitätsklinikum St. Pölten, Österreich, analysiert wurden. Sie zeigten einen Zusammenhang zwischen der MFSD1-Menge und der Prognose der Krebspatienten. „Wir haben gesehen, dass Patientinnen und Patienten mit bestimmten Formen von Brust-, Magen- und Lungenkrebs, die einen niedrigeren MFSD1-Spiegel aufwiesen, eine schlechtere Prognose hatten. Ein hoher MFSD1-Spiegel scheint zu schützen – er unterdrückt Tumormetastasierung“, sagt Krebsforscher Roblek.

Wahl der Behandlung beeinflussen

Schon heute analysieren Ärztinnen und Ärzte bestimmte Gene, um die Therapie für ihre Patienten zu optimieren. Nun können sie auch nach dem Gen suchen, das für das Protein MFSD1 kodiert: „Wenn sich dieser Marker weiter etabliert, können Mediziner:innen ihn nutzen, um die Aggressivität des Krebses zu klassifizieren und zwischen verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu entscheiden“, sagt Daria Siekhaus. In zukünftigen Studien will das Team genauer untersuchen, wie das Protein auf molekularer Ebene funktioniert. Eine spannende Frage ist etwa, ob eine künstliche Erhöhung des MFSD1-Spiegels dazu beitragen könnte, die Ausbreitung bestimmter Tumoren zu unterdrücken. Langfristig könnte dies zu neuen Behandlungsmethoden gegen Krebs führen.

Quellen:
Pressemitteilung vom Institute of Science and Technology Austria vom 8.2.2022

1. Roblek M, Bicher J, van Gogh M, György A, Seeböck R, Szulc B, Damme M, Olczak M, Borsig L and Siekhaus D. 2022. The Solute Carrier MFSD1 Decreases the Activation Status of β1 Integrin and Thus Tumor Metastasis. Frontiers in Oncology. DOI: 10.3389/fonc.2022.777634