Nahrungsmittelallergien Provozieren nach Plan

Autor: Dr. Andrea Wülker

Oft lässt sich mit dem schrittweisen Einführen von Kuhmilch oder Ei eine Toleranzentwicklung erzielen. Oft lässt sich mit dem schrittweisen Einführen von Kuhmilch oder Ei eine Toleranzentwicklung erzielen. © New Africa – stock.adobe.com

Erdnüsse, Milch, Ei, Fisch – hinter Anaphylaxien bei Kindern steckt meist eine Allergie auf bestimmte Lebensmittel. Die einzige sichere Möglichkeit, eine relevante Nahrungsmittelallergie dingfest zu machen, ist der Provokationstest.

Besteht der begründete Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie, lohnt sich immer eine Provokationstestung, schreiben ­Juliane ­Brose und PD Dr. ­Thomas ­Hirsch, Universitätsmedizin Greifswald. Konkret empfiehlt sich die Überprüfung, wenn z.B. 

  • beim Verzehr eines Nahrungsmittels und entsprechender Sensibilisierung allergische Reaktionen auftreten,
  • Hinweise auf eine Lebensmittelallergie bestehen, obwohl keine Sensibilisierung vorliegt,
  • eine allergische Sensibilisierung für ein Nahrungsmittel nachgewiesen ist, dieses bisher aber noch nicht bewusst verzehrt worden ist,
  • sich nach der gezielten Elimination eines Nahrungsmittels die Symptome bessern (in diesem Fall kann der Test den Allergieverdacht bestätigen),
  • nach einer Phase der Allergenkarenz überprüft werden soll, ob sich inzwischen eine klinische Toleranz entwickelt hat.

Lebensmittelallergien können spontan verschwinden

Wann getestet werden sollte, hängt einerseits von dem verdächtigen Allergen ab, andererseits vom Alter des Kindes. Viele IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien beginnen im Baby- oder im Kleinkindalter und verschwinden bis zum Schulalter. So neigen etwa Allergien auf Kuhmilch und Hühnerei, Weizen und Soja zu einer spontanen Remission in den ersten 6 bis 24 Lebensmonaten. Sie sollten deshalb in diesem Alter überprüft werden. Allergien gegen Erd- und Walnuss, Fisch und Krebstiere bleiben häufiger bestehen, doch auch bei ihnen ist die Toleranzentwicklung möglich. Deshalb sollte ein Verdacht nach Ansicht der Autoren kurz vor der Einschulung durch einen Provokationstest abgeklärt werden.

Die Testung bei Kindern gehört in die Hände allergologisch erfahrener Pädiater. Offene Nahrungsmittelprovokationen können unter bestimmten Voraussetzungen ambulant durchgeführt werden. Diese sind gegeben, wenn ein Kind z.B. ein ausschließlich orales Allergiesyndrom zeigt oder nur wegen einer serologischen Sensibilisierung (bis RAST-Klasse 2) bzw. rein präventiv und ohne IgE-Nachweis ein bestimmtes Nahrungsmittel meidet.

Spurenhinweis trotz Allergie ignorieren?

Vermutete Nahrungsmittelallergien bei Kindern bedeuten für die betroffenen Familien viel Aufwand und Stress. Ein Provokationstest klärt einerseits, ob tatsächlich eine Nahrungsmittelallergie vorliegt. Andererseits ermittelt er, ab welcher Allergenkonzentration das Kind klinische Symptome zeigt.

Fällt der Test negativ aus, entlastet das Kind und Eltern. Ein positives Provokationsergebnis liefert zumindest einen Anhaltspunkt dafür, welche Dosis zu allergischen Symptomen führt. Für viele Familien heißt das, dass sie Verpackungshinweise auf mögliche Spuren des allergenen Nahrungsmittels künftig ignorieren können, weil das Kind auf diese geringen Mengen nicht reagiert.

Für die ambulante offene Provokation mit Allergenen wie Kuhmilch oder Hühnerei empfehlen die Autoren die sogenannte Milch- bzw. Hühnerei-Leiter, die im Rahmen einer kanadischen Studie entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um ein Vorgehen zur stufenweisen Einführung des Allergens. Bei Verdacht erhält das Kind im ersten Fall zunächst Backwaren wie Muffins oder Kekse, die als Zutat Milch enthalten. Wird dies vertragen, darf es nach­einander Milch in verarbeiteter, dann in kurz erhitzter Form und schließlich roh verzehren. Wenn allergische Symptome auftreten, geht man eine Stufe zurück und gibt für vier Wochen die zuletzt tolerierte Verarbeitungsart. Anschließend kann ein Wechsel zur nächsthöheren Stufe erneut versucht werden.

Die schrittweise Einführung der Nahrungsmittelallergene scheint erfolgreich zu sein: So er­gab eine Studie, dass 91 % der Patienten nach vier bis sechs Monaten Kuhmilch vertrugen. Zu systemischen Reaktionen kam es nicht. Auch bei Eiern ließ sich eine Toleranzentwicklung nachweisen. Allerdings kommt ein stufenweises Vorgehen nur für jüngere Kleinkinder infrage, die weder eine Anaphylaxie noch Reaktionen auf kleinste Mengen zeigen und die weder ein instabiles Asthma noch ein atopisches Ekzem aufweisen. Und selbstverständlich müssen die Eltern zuverlässig mitarbeiten und die Handhabung von Notfallmedikamenten beherrschen.

Schwere Allergien erfordern die Testung in der Klinik

Eine stationäre Provokations­testung mit liegendem venösem Zugang ist erforderlich, wenn es in der Vergangenheit bereits zu anaphylaktischen Reaktionen gekommen ist. Auch bei vorbekannter Sensibilisierung und schwer einschätzbarer klinischer Reaktion empfiehlt sich der Gang ins Krankenhaus. Meist bekommt das Kind dort Provokationsmahlzeiten, die das zu testende Allergen in sieben verschiedenen Konzentrationsstufen enthalten und die in zeitlichen Abständen von ca. 30 Minuten verzehrt werden. Die Testung kann offen oder doppelblind und placebokontrolliert erfolgen.

Quelle: Brose J, Hirsch T. Ernährungs Umschau 2023; M518-M523