Publikation zu rotem Fleisch weist Mängel auf
Rotes und prozessiertes Fleisch sollte nur sparsam verzehrt werden, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen. Diese von nationalen und internationalen Fachgesellschaften gestützte Empfehlung wurde Ende letzten Jahres durch eine Forschungsgruppe mit Namen Nutritional- Recommendations(NutriRECS)- Konsortium infrage gestellt. Deren Publikation ermutigte Verbraucher dazu, ihren bisherigen Fleischkonsum ohne Bedenken weiter fortzusetzen.
Die Autoren begründen dies damit, dass die Evidenz für die negativen Auswirkungen von regelmäßigem Fleischverzehr nicht gesichert sei. Außerdem ließen sich Essensgewohnheiten der Menschen nur schwer ändern. Die Neubewertung durch das NutriRECS-Konsortium hat bei Fachleuten und Laien für Irritationen gesorgt. Eine Gruppe von Ernährungsexperten und Diabetologen um Frank Qian von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston hat die Publikation nun auseinandergenommen.
Wichtige kontrollierte Studien ausgeschlossen
Ihr Hauptkritikpunkt: Die mangelhafte Methodik. Die NutriRECS-Experten verwendeten die sogenannten GRADE-Kriterien für ihre Evidenzevaluation. Diese eignen sich aber vor allem zur Bewertung von randomisiert- kontrollierten Studien zu pharmakologischen Interventionen, während die in der Ernährungsforschung üblichen Beobachtungsstudien in diesem Bewertungssystem von vornherein als „niedrige Evidenz“ eingestuft werden.
Besser wäre es gewesen, wenn die NutriRECS-Autoren das extra für Nahrungsmittelstudien entwickelte NutriGRADE-System verwendet hätten, so Qian und Kollegen. Bei Anlegung dieser Kriterien ergab sich in systematischen Reviews z.B. zur Assoziation zwischen dem Verzehr von Fleisch und der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes eine hohe und für die Assoziation mit Mortalität zumindest eine mittlere Qualität der Evidenz.
Eine weitere Schwäche der NutriRECS-Publikation ist eine Fehlinterpretation der großen Women’s-Health-Initiative-Studie. Zudem wurden ohne Angabe von Gründen andere wichtige kontrollierte Studien ausgeschlossen, z.B. die zu gesättigten Fettsäuren und deren ungünstigen Einfluss vor allem auf das Herz-Kreislauf-System.
Methodisch fragwürdig sei darüber hinaus die Einbeziehung von Befragungsstudien zum Ernährungsverhalten, denen zufolge die meisten Menschen nicht auf Fleisch verzichten wollen. Zwar erscheint in der Ernährungsberatung die Frage nach persönlichen Essensvorlieben gerechtfertigt. Diese sollte aber nicht die Erstellung von Ernährungsleitlinien zur Gesundheitsvorsorge beeinflussen, betonen die Experten.
Auf das Risiko für Stoffwechsel, Herz und Krebs hinweisen
Sicherlich ist die Datenlage zu den gesundheitlichen Auswirkungen von einem hohen Fleischkonsum noch nicht ausreichend, resümieren die Autoren um Qian. Dennoch sei der Zusammenhang zwischen dem Verzehr von viel rotem Fleisch und einer höheren Inzidenz beispielsweise von Typ-2-Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen und einigen Krebsarten konsistent dokumentiert und sollte daher auch weiterhin kommuniziert werden.
Quelle: Qian F et al. Diabetes Care 2020; 43: 265-271; DOI: 10.2337/dci19-0063