QT-Zeit verlängernde Medikamente: Proarrhythmisches Potenzial überschätzt
Verschiedene Medikamente, darunter Antibiotika und Psychopharmaka, verlängern das QT-Intervall und prädisponieren für den plötzlichen Herztod. Letzteres liegt allerdings womöglich nicht an der proarrhythmischen Wirkung der Arzneistoffe, berichtet ein Team um Dr. Timothy F. Simpson von der University of California in San Francisco. Viele Patienten, die am plötzlichen Herztod sterben, werden nicht obduziert, schreiben die Wissenschaftler. Die Annahme, dass eine Herzrhythmusstörung zum Tod geführt habe, werde somit oftmals weder bestätigt noch widerlegt.
Tatsächlich liegen dem angenommenen plötzlichen Herztod in nahezu der Hälfte der Fälle andere Ursachen zugrunde, beispielsweise Drogen- oder Medikamentenüberdosierungen, Hirnblutungen, Aneurysmarupturen oder Lungenembolien. Das geht aus den Daten der POST-SCD-Studie hervor. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 525 Verstorbene, bei denen ein plötzlicher Herztod vermutet wurde, sowie 104 Unfalltote obduziert und toxikologisch untersucht.
Anhand der Befunde prüften Dr. Simpson und Kollegen nun, inwiefern QT-Intervall verlängernde Medikamente tatsächlich für arrhythmie- bzw. nicht-arrhythmiebedingten Tod prädisponierten. Sie fanden, dass die Einnahme entsprechender Pharmaka zwar mit einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Verdachtsdiagnose plötzlicher Herztod einherging. Berücksichtigten die Wissenschaftler allerdings die Obduktionsbefunde, bestand lediglich ein signifikanter Zusammenhang mit dem Risiko für nicht-arrhythmiebedingte Todesfälle. Die Gefahr von arrhythmiebedingten Todesfällen stieg durch die Medikamente hingegen nicht.
Patienten mit hohem Risiko für nicht-arrhythmiebedingten Tod erhalten überproportional häufig die QT-Zeit verlängernden Medikamente, vermuten die Autoren. Bei fehlender Autopsie werde in der Folge das proarrhythmische Potenzial dieser Pharmaka überschätzt.
Quelle: Simpson TF et al. JAMA Intern Med 2020; 180: 1-9; DOI: 10.1001/jamainternmed.2020.0148