Studie Regelmäßiges Training verlangsamt potenziell die Diabetesprogression 

Autor: Dr. Judith Lorenz

Was bringt es den Betazellen, wenn intensiv trainiert wird? Was bringt es den Betazellen, wenn intensiv trainiert wird? © Flamingo Images – stock.adobe.com

Das Serum von Menschen, die ein mehrwöchiges intensives Sporttraining absolviert haben, schützt Betazellen unter Laborbedingungen vor einer stressindu­zierten Apoptose. Dieser protektive Effekt besteht unabhängig davon, ob bereits ein Diabetes mellitus (Typ 1 oder Typ 2) vorliegt oder nicht. 

Sowohl beim Typ-1- als auch beim Typ-2-Diabetes tritt im Verlauf der Erkrankung ein fortschreitender Verlust funktionsfähiger pankreatischer Betazellen ein. Für dieses Problem existiert bislang keine therapeutische Lösung, berichtet Dr. Alexandra Coomans de Brachène vom Diabetesforschungszentrum der Freien Universität Brüssel. Ein Grund für den Untergang von Betazellen ist auf zellulärer Ebene unter anderem vom endoplasmatischen Retikulum (ER) ausgelöster Stress: Nicht oder fehlgefaltete Proteine akkumulieren im ER-Lumen und das führt letztendlich zum Zelltod. In vitro kann dieser Stress durch chemische Substanzen wie Thapsigargin simuliert werden. 

Gemeinsam mit weiteren Wissenschaftler*innen ging Dr. Coomans de Brachène nun der Frage nach, ob regelmäßige sportliche Aktivität die Betazellen vor einer ER-stressinduzierten Apoptose schützt und ob eine entsprechende Schutzwirkung von der Art des Trainings, den individuellen Vo­raussetzungen der Sporttreibenden oder ihrem Diabetesstatus abhängt. Ihre Studie baut auf einer Vorläufer-untersuchung mit acht gesunden jungen Männern auf, die vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf die Betazellprotektion durch Sport erbracht hatte. An der Folgestudie nahmen insgesamt 82 Männer und Frauen unterschiedlicher ethnischer Abstammung teil, darunter sowohl Menschen mit Diabetes als auch Stoffwechselgesunde

Wovon hängt eine mögliche Schutzwirkung ab? 

Nach der Bestimmung der körperlichen Fitness absolvierte die Mehrzahl der Proband*innen über acht bis zwölf Wochen unter Anleitung ein Trainingsprogramm: ein hoch- intensives Fahrrad-Intervalltraining, ein adaptiertes Sprint-Intervalltraining, ein hochintensives kontinuierliches Training oder ein hochintensives funktionelles Training. Fünf Personen bildeten die Kontrollgruppe: Sie nahmen an keinem Trainingsprogramm teil, sondern behielten ihre Aktivitätsgewohnheiten bei.
Unabhängig vom Alter, dem Vorliegen einer Adipositas oder eines Diabetes profitierten die Studienteilnehmenden hinsichtlich ihrer kardiovaskulären Fitness von der Trainingsintervention. Im Verlauf der Trainingsphase entnahmen die Forschenden den Proband*innen mehrfach Blutproben und behandelten menschliche Betazellen der Zelllinie EndoC-βH1 mit dem daraus gewonnenen Serum. Anschließend inkubierten sie die Zellen mit Thapsigargin und prüften mithilfe eines Apoptose-Assays, ob dieses Zellgift zum Zelltod führte.

Das Ergebnis: Bereits nach vierwöchigem Training war das Serum der Probandinnen und Probanden in der Lage, die Betazellen vor der durch Thapsigargin induzierten Apoptose zu schützen. Die zytoprotektive Wirkung hielt sogar bis zu zwei Monate nach Ende des Trainingsprogramms an und war den Berechnungen der Forschenden zufolge unabhängig von der Art der Sportintervention, dem Alter, dem Geschlecht, dem Body-Mass- Index und der Abstammung. Die Schutzwirkung war dabei nicht nur bei Stoffwechselgesunden nachweisbar: Auch das Serum von Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes reduzierte die Apoptose deutlich. Im Gegensatz dazu schützte das Serum der untrainierten Studienteilnehmenden die Zelllinie nicht vor dem Zelltod. 

Kommunikation zwischen Muskulatur und Bauchspeicheldrüse 

Abschließend wiesen die Forschenden nach, dass das Exerkin Clusterin, das bei sportlicher Aktivität freigesetzt wird und dem antiinflammatorische und stoffwechselprotektive Eigenschaften zugeschrieben werden, ebenfalls Betazellen vor der durch Thapsigargin induzierten Apoptose schützt. Offensichtlich „kommunizieren“ die Muskulatur und die Bauchspeicheldrüse über zirkulierende Exerkine miteinander, meint Dr. Coomans de Brachène. Regelmäßiges Training hat ihrer Einschätzung nach das Potenzial, die Betazellen des Pankreas gesund zu halten. Sie ist optimistisch, dass sich hier möglicherweise ein Ansatzpunkt zur Diabetesprävention bzw. zur Verlangsamung der Diabetesprogression bietet.

Literatur:
Coomans de Brachène A et al. Diabetologia 2023; 66 (3): 450-460; DOI: 10.1007/s00125-022-05837-9