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Multiresistente Bakterien Renaissance der Phagentherapie

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Diese Bakteriophagen (rosa) attackieren Streptococcus pyogenes. Diese Bakteriophagen (rosa) attackieren Streptococcus pyogenes. © Science Photo Library
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Die Behandlung mit Bakteriophagen wird seit Jahrzehnten klinisch erprobt, kommt in westlichen Ländern aber nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. Dabei könnten sie in lebensbedrohlichen Situationen und für Risikopatienten wichtig werden.

Laut WHO-Gesundheitsreport von 2020 haben Infektionen der tiefen Atemwege von allen übertragbaren Krankheiten weltweit die höchsten Mortalitätsraten. Zur gezielten Therapie sind lediglich Antibiotika zugelassen, deren Wirksamkeit allerdings durch zunehmende Resistenzen limitiert ist. Eine Bedrohung stellt dies insbesondere für Patienten mit zystischer Fibrose (CF), beatmungspflichtiger Pneumonie oder bei Zustand nach Lungentransplantation dar. 

Die begrenzte Wirksamkeit be­kannter und die stagnierende Entwicklung neuartiger Antibio­tika haben das Interesse an der Bakteriophagentherapie erneut geweckt, schreiben Dr. ­Georgia ­Mitropoulou von der Université Lausanne und Kollegen. Geforscht wird an Viren, die wirtsspezifisch bestimmte humanpathogene Bakterien infizieren und abtöten, schon lange. Therapeutisch genutzt werden sie allerdings bisher nur in Georgien und Russland, bei uns ist der Einsatz besonderen Härtefällen (z.B. lebensbedrohliche Infektion mit multiresistenten Erregern) vorbehalten. 

Einzelne Fallberichte mit verschiedenen Bakterien

Neben neuen Erkenntnissen zur Pharmakologie der Phagen und zur synergistischen Wirkung mit Antibiotika gibt es mittlerweile aus den USA und Europa einige Fallberichte zur Therapie von Atemwegsinfekten. So erhielten beispielsweise vier kritisch kranke COVID-19-Patienten aufgrund einer Sekundär­infektion mit Acinetobacter baumannii eine inhalative Phagentherapie. Behandelt wurden auch acht Patienten mit im Krankenhaus erworbener Pneumonie, sechs Organtransplantierte und vier Patienten mit CF ohne Lungentransplantation. Ziele der Bakteriophagen waren, abgesehen von carbapenemresistenten A. baumannii, vor allem P. aeruginosa und Achromobacter ssp.

Die Therapie erfolgte jeweils im Rahmen eines Compassionate-Use-Programms, alle Patienten erhielten zusätzlich Anti­biotika. Bei 75 % der Betroffenen kamen mehrere Phagen zum Einsatz, die meist intravenös und/oder per inhalationem oder direkt per Bronchoskopie, Pleuradrainage oder auf die Haut appliziert wurden. Die Therapiedauer betrug zwischen zwei Tagen und zwölf Monaten (durchschnittlich 28 Tage).

In 80 % der Fälle kam es zu einem kompletten oder teilweisen Rückgang der Infektion mit oder ohne Eradikation der Bakterien. Eine lungentransplantierte CF-Patientin mit einer Burkholderia-dolosa-Infektion starb nach anfänglicher Besserung an einer Sepsis. Bei zwei weiteren Patienten wurde die Therapie aufgrund von Phagenresistenz bzw. wegen neutralisierender Antikörper abgebrochen.

Die Phagentherapie erwies sich in den berichteten Fällen insgesamt als gut verträglich – unabhängig von der Art der Administration. Unerwünschte Wirkungen traten selten auf, waren meist mild oder bildeten sich rasch zurück. Lediglich bei einem Patienten kam es vorübergehend zu einem Zytokinsturm. Die Symptome waren binnen 24 Stunden wieder verschwunden.

Offene Fragen bei Applikation, Dosierung und Therapiedauer

Die beschriebene Effektivität muss man vor dem Hintergrund sehen, dass Phagen in randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) bisher keinen Vorteil gegenüber einer üblichen antiinfektiven Therapie gezeigt haben, betonen Dr. Mitropoulou und Kollegen. Da diese Arbeiten jedoch enorme Schwachstellen aufweisen, fordern sie sowohl präklinische Studien als auch neue RCT. Zu klären seien unter anderem die optimale Applikationsform, Dosierung und Therapiedauer. Auch hinsichtlich der beobachteten Interaktionen mit dem Immunsystem sowie anderen Viren und Bakterien bestehe Forschungsbedarf.

Ein Vorteil der Phagen ist, dass sie zielgerichtet angreifen und somit das Darmmikrobiom weniger beeinträchtigen als Antibiotika. Dies könnte gerade für Patienten, die sehr häufig wegen bakterieller Infektionen medikamentös behandelt werden müssen, ein nicht zu unterschätzender Aspekt sein.

Quelle: Mitropoulou G et al. Eur Respir Rev 2022; 31: 220121; doi: 10.1183/16000617.0121-2022