Sport und Rheuma Rheumapatienten: Folgenschwere Trägheit
Gut jeder zweite Einwohner unseres Landes treibt in ausreichendem Maße Sport. Eigentlich ist das eine ziemlich gute Nachricht, meinte PD Dr. Uta Kiltz vom Rheumazentrum Ruhrgebiet in Herne. Andererseits bedeute das auch, das sich ähnlich viele Menschen hierzulande zu wenig bewegen. Und bei Patienten mit entzündlich-rheumatischer Erkrankung kommt nur jeder Zehnte auf die empfohlenen vier Stunden an wöchentlicher körperlicher Aktivität, berichtete die Rheumatologin.
Es gibt einen Teufelskreis zwischen zu wenig Bewegung, der Zunahme an Körperfett und den daraus resultierenden proinflammatorischen Prozessen, beschrieb die Referentin. Andererseits wirkt ein Muskel, wenn er aktiv ist, als sekretorisches Organ, das über eine ganze Reihe an Myokinen antiinflammatorische Effekte auf den gesamten Körper hat. Allein durch Bewegung bessert sich die Knochengesundheit, Muskelmasse bleibt erhalten, zugleich verringert sich das kardiovaskuläre Risiko. „Auch die immunologischen Veränderungen, die wir mit regelmäßiger Aktivität anstoßen, sind nicht zu unterschätzen.“
Nach den EULAR-Empfehlungen sollen Ärzte und Therapeuten ihren Patienten zu standardisierten Methoden raten, deren Erfolg dann auch bewertet werden kann. Dabei muss die Aktivität oder der Sport zum Patienten passen: „Natürlich ist ein junger Patient mit geringer körperlicher Funktionseinschränkung anders zu beraten als ein älterer mit einem höheren Einschränkungsgrad.“ Der Betroffene soll sich selber ein realistisches Ziel setzen, sein Sportprogramm eigenständig planen und selbstkritisch – unterstützt von Trainern, Therapeuten und anderen Personen aus seinem Umfeld – überlegen, woran es bei der Umsetzung vielleicht hapert.
Oberstes Ziel ist die anhaltende Verhaltensänderung. „Einmal ein Rezept für Physiotherapie zu verordnen ist den EULAR-Empfehlungen zufolge zu wenig.“
Körperliche Aktivität und Physiotherapie haben erwiesenermaßen gute Effekte auf die Krankheitsaktivität, wie Studiendaten zur axialen Spondyloarthritis zeigen. Auch auf die gemessene Wirbelsäulenbeweglichkeit haben physiotherapeutische Maßnahmen zumindest einigen Untersuchungen zufolge gute Effekte, physische Aktivität für sich genommen scheint aber keinen nennenswerten Einfluss zu haben. Mit Blick auf die selbstberichtete Funktionsfähigkeit sind die Effekte nicht einheitlich.
Wie viel Bewegung soll es also sein? Drei- bis viermal Sport pro Woche kann man gut empfehlen, jeweils mit entsprechender Ruhepause dazwischen, so Dr. Kiltz. Die Intensität der Übungen soll zumindest moderat sein, gut belastbare Patienten kann man den Grad der Anstrengung frei wählen lassen. Nennenswerte Effekte sind erst bei Einheiten von 30 bis 45 Minuten zu erzielen, trainiert werden sollten neben der Muskelkraft auch Beweglichkeit und neuromotorische Fähigkeiten.
Ausführlicher ging die Referentin auf eine Studie aus Norwegen ein, die mit 100 Teilnehmern die Effekte einer hochintensiven Traingstherapie bei axialer Spondyloarthrits untersucht hatte. Die Übungen müsse man sich wie bei einem Zirkeltraining vorstellen, beschrieb sie. Die Teilnehmer trainierten damit sowohl Schnelligkeit als auch Kraft und Beweglichkeit. Nach drei Monaten zeigte sich ein klarer Vorteil für die Sporttherapie in den Bereichen Krankheitsaktivität, Schmerz und Morgensteifigkeit, aber auch für die Fatigue. „Und die ist für die meisten Patienten ja ein großes Problem.“
Nach sechs Monaten war der Outcome allerdings nicht mehr ganz so vorteilhaft, schränkte Dr. Kiltz ein. „Auch hier gilt: Der Patient muss dranbleiben und er muss motiviert sein, das Training auch durchzuführen.“
* European Alliance of Associations for Rheumatology
Quelle: Kongressbericht Deutscher Rheumatologiekongress 2023