Todesbescheinigungen Schlamperei post mortem
Die Qualität der ärztlichen Leichenschau steht immer wieder in der Kritik, schreiben PD Dr. Sabine Gleich vom Gesundheitsreferat der Stadt München und Kollegen. So wird z.B. auf den Totenscheinen hin und wieder nicht vermerkt, ob sichere Todeszeichen vorliegen. Als unstimmig haben sich in der Vergangenheit vor allem Bescheinigungen für Heimbewohner herausgestellt: Teilweise werden natürliche Tode attestiert, während gleichzeitig die Ursache ungenau bezeichnet oder als ungeklärt angeben wird.
Die Autoren analysierten 16.146 Totenscheine von Personen ab 75 Jahren aus dem Raum München. Sie betrafen 9.381 Frauen und 6.750 Männer, in 15 Fällen fand sich keine Angabe eines Geschlechts. In diesem Kollektiv starben die meisten in Krankenhäusern (56,1 %). Etwa jeweils ein Fünftel der Todesfälle ereignete sich im häuslichen Umfeld und in Altenheimen. Nur wenige Tode wurden in Hospizen (1,9 %) oder im öffentlichen Raum verzeichnet.
Sterbeursachen unterscheiden sich je nach Sterbeort
Für den Großteil der Toten (88,5 %) war auf dem Leichenschauschein eine natürliche Todesursache vermerkt. Deutlich seltener gab der untersuchende Arzt ungeklärte (8,8 %) oder nicht-natürliche Ursachen (2,7 %) an. In vier Fällen fehlte die Information völlig. Je nach Sterbeort unterschieden sich die Ursachen: In Kliniken rangierten Krankheiten der Atemwege (z.B. Pneumonien) und des Kreislaufsystems an erster Stelle (20,4 % bzw. 19,4 %). Bei zu Hause Gestorbenen war die Todesursache in etwa einem Drittel der Fälle unbekannt oder ungenau bezeichnet. Bei Pflegeheimbewohnern wurden häufig Endzustände als ursächlich für den Tod genannt. Während in Hospizen besonders viele Menschen an Krebs starben, wurden bei Fällen im öffentlichen Raum regelhaft Spuren äußerer Gewalt für den Tod verantwortlich gemacht.
Das Ausfüllen von Todesbescheinigungen obliegt Klinik- und Notärzten, niedergelassenen Kollegen und dem forensischen Leichenschaudienst. Das Setting unterscheidet sich jedoch erheblich. Während Klinikern häufig genaue Informationen zum Todeshergang vorliegen, stehen diese im Pflegeheim und im häuslichen Umfeld nur begrenzt zur Verfügung. Ob nach dem Ableben im privaten Umfeld oder im Pflegeheim – Niedergelassene attestierten den Analysen zufolge am häufigsten natürliche Todesursachen. Der forensische Leichenschaudienst war bevorzugt bei Fällen gefordert, in denen zum Beispiel Hinweise auf ein Tötungsdelikt bestanden.
Eine bereits bekannte Tatsache konnten die Untersuchung erneut bestätigen: Je älter die Gestorbenen, desto seltener wird der Tod als nicht-natürlich eingestuft.
Doch gerade bei älteren Menschen besteht die Gefahr, Spuren von äußerer Gewalt zu übersehen. Denn schon eine geringe Krafteinwirkung kann bei ihnen zum Tode führen. So spiegelt zum Beispiel die gefundene Häufigkeit nicht-natürlicher Todesfälle keineswegs die hohe Zahl von Stürzen mit Todesfolge wider, die in dieser Altersklasse zu erwarten wäre, bemängeln Dr. Gleich und Kollegen. Bemerkenswert erscheint ihnen auch die je nach Sterbeort unterschiedliche Obduktionsfrequenz. Im öffentlichen Raum Gestorbene obduzierte man zu etwa 40 %, tote Pflegeheim-bewohner dagegen nur zu 0,8 %.
Schludrigkeit durch unzureichende Vergütung?
Die Autoren geben zu bedenken, dass sie in ihrer Analyse nur Mängel erfassten, die mit Widersprüchen in der Todesbescheinigung zusammenhingen. Um auch bei formal korrekt ausgefüllten Bescheinigungen Fehler zu entdecken, seien Obduktionen nötig. Diese wurden allerdings nur in 4,9 % der Fälle durchgeführt, größtenteils waren sie gerichtlich angeordnet.
Eine gewisse Schludrigkeit beim Ausstellen der Sterbedokumente war womöglich auch auf die unzureichende Vergütung zurückzuführen. Diese wurde zum 1.1.2020 angehoben, die der Analyse zugrunde liegenden Daten stammen aber aus der Zeit davor. Zur Verbesserung der Situation fordern die Autoren vor allem Schulungen der Leichenbeschauer und mehr Obduktionen.
Quelle: Gleich S et al. Rechtsmedizin 2023; 33: 40-51; DOI: 10.1007/s00194-022-00584-y