MRT-Anmeldung Schlichtungsstelle kritisiert verzögerte Bildgebung

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Eine zu spät erfolgte bildgebende Diagnostik und Behandlung führte bei einer 67-jährigen Patientin zu einer Parese beider Beine, welche wahrscheinlich hätte verhindert werden können. Eine zu spät erfolgte bildgebende Diagnostik und Behandlung führte bei einer 67-jährigen Patientin zu einer Parese beider Beine, welche wahrscheinlich hätte verhindert werden können. © Mary – stock.adobe.com

Bei progredienten neurologischen Symptomen muss zeitnah eine bildgebende Dia­gnos­tik erfolgen. Wenn diese vor Ort nicht durchführbar ist, sollte man den Patienten verlegen – sonst droht juristischer Ärger, wie eine Kasuistik zeigt.

Eine 67-jährige Frau litt seit etwa drei bis vier Wochen an lumbalen Rückenschmerzen. Am 16. Dezember sackte morgens ihr linkes Bein weg. Unter dem Verdacht auf einen Diskusprolaps wies sie der Hausarzt ins Krankenhaus ein. Bei der Aufnahmeuntersuchung fielen keine neurologischen Veränderungen auf, es lag aber ein positives Lhermitte-Zeichen vor. Außerdem bestand eine Gangstörung bei Lumboischialgie links ohne manifeste Parese und ohne Hyperreflexie. Die Patientin wurde zunächst medikamentös behandelt, berichten ­Justine ­Launicke von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der Ärztekammer Niedersachsen und Prof. Dr. ­Mathias ­Bähr von der Universitätsmedizin Göttingen.

Am 17. Dezember war das Babinski-Zeichen beidseits positiv, ferner bestand eine beidseitige leichte Fußheberschwäche, eine Minderung des Vibrationsempfindens von 2/8 und ein Klopfschmerz über der BWS. Zur Abklärung meldeten die Ärzte eine MRT an. Am 18. Dezember traten Sensibilitätsstörungen am linken Fuß und Knie auf, einen Tag später nahmen die Rückenschmerzen zu.

Am 20. Dezember wurde eine Parese der Fußheber beidseits und der Hüftbeuger beschrieben. Nun erst drängten die Ärzte auf eine rasche Durchführung der MRT. Die Diagnose: Raumforderungen mit Myelonkompression. Am 21. Dezember wurde ein neurochirurgisches Konsil angefordert. Außerdem erfolgte eine thorakale und abdominale CT. Diese ergab ein exulzeriertes Karzinom im axillären Ausläufer der linken Mamma.

Verlegung zur Neurochirurgie erst nach sechs Tagen

Die Beinparesen nahmen zu, bis sich klinisch ein sensomotorisches Querschnittssyndrom zeigte. Deshalb wurde die Patientin am 22. Dezember zur Dekompression des Rückenmarks in eine Klinik für Neurochirurgie verlegt, wo am selben Abend eine Laminektomie BWK 4/5 und 5/6 erfolgte.

Im weiteren Verlauf kam es zu einer spontanen Perforation des Colon transversum, weshalb die Patientin mehrfach operiert werden musste. Nach Abschluss der Rehabilitationsbehandlung bestand noch eine Parese beider Beine (Kraftgrad 4/5) sowie ein unsicherer Stand und Gang.

Der von der Schlichtungsstelle beauftragte neurologische Gutachter kam zu dem Schluss, dass die Kernspindiagnostik schon am 17. oder 18. Dezember hätte erfolgen müssen. Auch das neurochirurgische Konsil sei einen Tag verzögert angemeldet worden. Zudem hätte täglich ein neurologisches Monitoring stattfinden müssen. Dadurch hätte das Ausmaß der Paraparese eventuell verringert werden können. Die Rückenmarksschädigung wäre allerdings auch bei einer früheren Reaktion nicht zu verhindern gewesen. Die Schlichtungsstelle schloss sich der Meinung des Gutachters an und erkannte auf einen schweren Befunderhebungsfehler, aus dem eine Beweislastumkehr resultierte.

Die vollständige Parese hätte verhindert werden können

Als kausal fehlerbedingter Schaden wurde eine Therapieverzögerung von etwa fünf Tagen nebst Schmerzen und anderen Beschwerden eingestuft. Auch die Entwicklung einer vollständigen Parese führte die Schlichtungsstelle darauf zurück, nicht aber den weiteren Verlauf der Erkrankung und Therapie.

Quelle: Launicke J, Bähr M. Niedersächsisches Ärzteblatt 2023; 96: 28-30