Schmerzen und Brennen am Scheideneingang: Vulvodynie erfordert individualisierte Therapie
Eine junge Frau verspürte plötzlich ein Brennen beim Wasserlassen. Nach einem positiven Abstrich bei ihrem Frauenarzt begann die 21-Jährige eine Antibiotikatherapie über mehrere Tage, woraufhin sich die Beschwerden besserten. Auf die Zystitis folgte eine Pilzinfektion, die mit Salben und Zäpfchen behandelt wurde. Die Infektionen häuften sich, doch trotz medikamentöser Behandlung ging das Brennen irgendwann nicht mehr weg.
Die junge Frau war am Verzweifeln, denn weder Gynäkologen noch Urologen fanden eine körperliche Ursache für die unerträglichen Schmerzen. Sie wusch sich mehrmals täglich, wechselte andauernd die Unterwäsche aus Angst vor Infektionen und stellte den körperlichen Kontakt mit ihrem Freund aufgrund der Schmerzen beim Geschlechtsverkehr ganz ein.
Die Leidensgeschichte der jungen Frau ist typisch für eine Vulvodynie – chronische Schmerzen oder Missempfindungen im Bereich des Scheideneingangs, für die oft keine erkennbaren körperlichen Ursachen gefunden werden. Die brennenden, stechenden Schmerzen treten spontan oder infolge von Berührung, Druck oder Reibung auf. Enge Kleidung, Fahrradfahren, Stress, Geschlechtsverkehr oder das Einführen von Tampons können die Symptomatik noch verstärken, schreibt das Team um Dr. Patric Bialas von der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Ein Teil der Patientinnen berichtet zudem über häufigen imperativen Harndrang, Nykturie, Dysurie sowie Schmerzen beim Sitzen oder im Rücken bzw. Unterbauch.
Diagnostische Kriterien einer Vulvodynie
- Schmerzen und Brennen bei Berührung des Vestibulums (Allodynie) oder dem Versuch der Penetration (Finger, Tampon, Verkehr)
- Druckempfindlichkeit von Vulva oder Vestibulum (z.B. beim Sitzen oder Fahrradfahren)
- keine oder schwache Rötung, teilweise erst nach Provokation (sehr unzuverlässiges Kriterium)
- Ausschluss von Infektionen, neurologischer, dermatologischer oder neoplastischer Erkrankungen
- Dauer der Beschwerden ≥ 3 Monate
Topika, Tabletten, Nervenstimulation
Die Ursache der Vulvodynie ist bislang unklar. Vermutlich handelt es sich um eine Kombination aus körperlichen und psychischen Beschwerden, die infolge einer gestörten Schmerzverarbeitung zu einer Hyperalgesie oder Allodynie führen. Vor allem rezidivierende Infektionen im Genitalbereich durch Pilze, Bakterien oder Viren, aber auch Hauterkrankungen, Operationen oder Nervenreizungen (zum Beispiel des N. pudendus) kommen als mögliche Schmerzauslöser infrage. In manchen Fällen verschwinden die Beschwerden unbehandelt von selbst. Häufig ist jedoch eine medikamentöse Therapie erforderlich. Diese sollte sich nach der individuellen Symptomatik richten. Nach einer ausführlichen Anamnese sowie einer gynäkologischen Untersuchung kommen die folgenden therapeutischen Möglichkeiten in Betracht:- Vulvapflege mit Wasser (keine Parfüms oder ähnliches), verträgliche Wäsche und Kleidung, mild fettende Hautpflege
- topische Behandlung mit Estriol, zytokinhaltiger Creme bzw. Lokalanästhetika
- orale Therapie mit Antikonvulsiva und Antidepressiva
- Injektion von 20–40 Einheiten Botulinumtoxin A in die Levatormuskulatur
- regelmäßige Anwendung von transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS) mit vaginaler Sonde
- Blockade des N. pudendus (wird mittlerweile nur noch selten durchgeführt)
- Therapie mit lokalen Antimykotika, Antiseptika oder Antibiotika beenden
Schmerztherapie mit Psychoedukation kombinieren
Wie bei anderen chronischen Schmerzerkrankungen scheint auch bei der Vulvodynie ein multimodales Vorgehen am effektivsten zu sein, im Vordergrund stehen Schmerzreduktion und Psychoedukation, so die Experten. Am Universitätsklinikum des Saarlandes wurde inzwischen eine interdisziplinäre Vulvodynie-Sprechstunde eingeführt, in der eine in integrativer Onkologie zertifizierte Gynäkologin, der Leiter der anästhesiologischen Schmerzambulanz und eine Psychotherapeutin zusammenenarbeiten. Zu Beginn der Behandlung definiert das Team gemeinsam mit der Patientin realistische Ziele und erstellt einen integrativen Therapieplan, der alle sechs bis acht Wochen kontrolliert bzw. modifiziert wird.Quelle: Bialas P et al. Schmerzmedizin 2019; 35: 56-59