Schwangerschaft Wie gefährlich ist eine Chemotherapie für das Ungeborene?
Um die onkologische Prognose der Mutter nicht zu gefährden, ist bei vielen Krebsdiagnosen auch während einer Schwangerschaft eine Chemotherapie indiziert. Da die meisten Zytostatika die Plazentaschranke passieren, stellt sich dabei allerdings die Frage nach den Folgen für das Kind. Um die fetale Exposition zu minimieren, werden viele Kinder nach entsprechender interdisziplinärer Abwägung vorzeitig auf die Welt geholt. Die iatrogene Frühgeburt birgt allerdings ebenfalls Risiken für das Neugeborene, berichtet das Team um Prof. Dr. Amy Metcalfe von der Universität Calgary. Die Forschenden untersuchten im Rahmen einer Bevölkerungsstudie, wie häufig in utero gegenüber Zytostatika exponierte Kinder während der Neugeborenenphase oder später Komplikationen erleiden und welchen Anteil daran möglicherweise die Frühgeburtlichkeit hat.
Die Wissenschaftler:innen analysierten Daten von 1.150 Personen aus den kanadischen Provinzen Alberta, British Columbia und Ontario, die zwischen 2003 und 2017 während einer Schwangerschaft an einem malignen Tumor erkrankt waren. 142 von ihnen (12,3 %) hatten eine Chemotherapie absolviert. 177 Neugeborene (15,4 %) erlitten schwere neonatale Komplikationen (z. B. Totgeburt, Tod innerhalb der Neugeborenenperiode, Hirnschäden, Beatmungspflicht). Enwicklungsneurologische Defizite wie motorische, sprachliche, kognitive, sensorische oder soziale Einschränkungen entwickelten 13,4 %, komplexe chronische pädiatrische Erkrankungen dagegen 7,5 % der Kinder mit entsprechenden Nachbeobachtungsdaten.
Chemotherapie während Schwangerschaft
Eine Chemotherapie während der Schwangerschaft ging, bei Berücksichtigung potenzieller Störvariablen, mit einem erhöhten Risiko für neonatale Komplikationen einher (aRR 1,67; 95%-KI 1,13–2,46).
Ein signifikanter Zusammenhang mit Entwicklungsstörungen oder chronischen Erkrankungen bestand dagegen nicht. Laut einer Mediationsanalyse erklärte eine Frühgeburt vor der 37. Schwangerschaftswoche 100 % und eine Frühgeburt vor der 34. Schwangerschaftswoche 75,8 % des beobachteten Zusammenhangs zwischen der Chemotherapie und neonatalen Komplikationen.
Nach einer Chemotherapie während der Gravidität kommt die Mehrzahl der Kinder offenbar gesund zur Welt, so das Fazit der Forschenden. Ungünstige Verläufe beschränken sich dabei im Wesentlichen auf die Neugeborenenperiode und sind größtenteils Folge einer Frühgeburtlichkeit und weniger direkte Konsequenz der Zytostatikaexposition. Weitere Untersuchungen müssen nun diese Beobachtungen überprüfen, fordern die Autor:innen.
Quelle:
Metcalfe A et al. J Natl Cancer Inst 2024; DOI: 10.1093/jnci/djae273