Patient Reported Outcomes Selbsteinschätzung von Patienten in der Radioonkologie

Autor: Dr. Anita Schweiger

Patient Reported Outcomes werden mittels strukturierter Fragebogen erhoben. Patient Reported Outcomes werden mittels strukturierter Fragebogen erhoben. © jannoon028 – stock.adobe.com

Das Selfassessment in der Strahlentherapie führt zu einer Verbesserung der Therapieergebnisse und eignet sich sogar zur Evaluation neuer Therapien, ist sich ein Experte sicher. Ein Kollege ergänzt, dass auch in der elektronischen Erfassung der Aussagen einige Vorteile stecken. Vorteile, die sich sogar in einem längeren Überleben ausdrücken können.

Patient Reported Outcomes beschreiben die Äußerungen von Patienten über den eigenen Gesundheitszustand ohne Interpretation einer anderen Person, beispielsweise Ärzten oder Angehörigen. Zu diesen „PRO“ zählt die Lebensqualität der Betroffenen, „die zwar etwas Subjektives ist, wir aber trotzdem messbar machen wollen“, erklärte Professor Dr. Dirk­ Vordermark­, Universität Halle-Wittenberg.

124 subjektive Fragen für objektive Einschätzung

In der Regel greift man dafür auf strukturierte Fragebogen wie jenem der EORTC* Quality of Life Group zurück. Der EORTC-QLQ-C30 kombiniert den Basisfragenkatalog C30 mit Organmodulen, also speziellen Fragebogen, die sich auf verschiedene Tumorentitäten oder auf bestimmte Teilbereiche der Symptombelastung wie die Fatigue beziehen. Da häufig auch für objektive Maße subjektive Einschätzungen der Patienten benötigt werden, stoßen etablierte Instrumente wie das CTCAE** zur Erfassung der Toxizität an ihre Grenzen, führte der Referent aus.

Die Neuentwicklung PRO-CTCAE soll die Schnittstelle zwischen objektiv und subjektiv schließen. Mit dem System lassen sich 78 CTCAE-Toxizitäten durch 124 Fragen an die Erkrankten eindeutig klassifizieren. Die Angaben beziehen sich dabei auf Schweregrad, Häufigkeit der bzw. Beeinträchtigung durch Symptome. 

„Ein kurzer Blick auf den alten Patienten“

Bisher fehlen Referenzdaten des QLQ-30 für ältere Patienten, führte Prof. Vordermark aus. Aus diesem Grund machten sich im Jahr 2013 Wissenschaftler daran, ein spezifisches Modul für Personen ab 80 Jahre zu validieren (Modul ELD14). Mit QLQ-ELD14 gelang es anschließend, den konkreten Zeitpunkt im Rahmen einer Strahlentherapie zu identifizieren, an dem bei hochaltrigen Tumorpatienten „Handlungsbedarf“ besteht. Bei einem Kollektiv aus 100 onkologischen Patienten im mittleren Alter von 76,3 Jahren fanden die Kollegen heraus, dass diese zwar während der Behandlungsphase relativ stabile Werte in allgemeinen und spezifischen Bereichen der Lebensqualität aufwiesen. Doch nach einer Strahlentherapie kam es zu signifikanten Verschlechterungen, z.B. auf den Skalen Zukunftsängste und familiäre Unterstützung.

Quelle: Schmidt H et al. J Geriatr Oncol 2017; 8: 262–270; DOI: 10.1016/j.jgo.2017.04.002

In einer Studie unter Mitwirken des Referenten hatte man die Lebensqualität von 151 Patienten mit Hirnmetastasen vor sowie drei Monate nach Beginn einer palliativen Strahlentherapie evaluiert.1 Die Forschenden nutzten dazu den EORTC QLQ-C15-PAL sowie das Hirnmodul BN20. Teilnehmende, die rein lokal stereotaktisch bestrahlt wurden, erzielten nach drei Monaten bessere Ergebnisse in Skalen wie Fatigue und motorische Dysfunktion als Patienten unter Ganzhirnbestrahlung. Außerdem hatten sich nur bei Letzteren die motorische Dysfunktion, Beinschwäche und das Kommunikationsdefizit signifikant im Vergleich zum Ausgangswert verschlechtert.1 Als Beispiel für die Evaluation neuer Therapien durch PRO stellte Prof. Vordermark eine randomisierte Phase-3-Studie mit 234 Patientinnen vor, deren Zervix- oder Endometriumkarzinom man mittels 3D-konformaler Bestrahlungstechnik versus IMRT behandelt hatte.2 Hier kamen die Kollegen zu dem Ergebnis, dass die Häufigkeit abdomineller Symptome durch die CTCAE-Kriterien unterschätzt wird. Die Teilnehmerinnen gaben höhere Belastungen durch Schmerzen oder Diarrhö auf der verwendeten 6-Item-PRO-CTCAE an. Ferner kam es unter der IMRT zu signifikant geringer ausgeprägten gastrointestinalen Beschwerden. Einen Schritt weiter gehen ePRO. Beispielsweise per Smartphone werden Aussagen von Patienten elektronisch erfasst. Dies bietet den Vorteil der Ortsunabhängigkeit, die Daten stehen unmittelbar digital zur Verfügung und können direkt analysiert werden. So lassen sich rasch Muster erkennen, die für eine kritische klinische Situation sprechen, berichtete Dr. Alexander­ Thieme­, Klinik für Radioonkologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Das bietet den behandelnden Kollegen die Möglichkeit, sofort zu intervenieren.“ Sowohl bei Erkrankten als auch bei Ärzten gebe es eine hohe Bereitschaft, ePRO zu nutzen. Dass die vorzeitige Detektion eines Rezidivs mittels ePRO sogar in einem Überlebensvorteil mündet, erkannten französische Forschende in einer Phase-3-Studie.3 Bei 120 Patienten mit Bronchialkrebs hatten diese eine Standardnachsorge mit einer ePRO-Monitoring-Nachsorge verglichen. Patienten mit Letzterer erreichten ein signifikant längeres medianes Überleben (22,5 Monate vs. 13,5 Monate; HR 0,50; 95%-KI 0,31–0,81); p = 0,005). Gegenwärtig führt die Studiengruppe „junge DEGRO“ eine prospektive, multizentrische Kohortenstudie durch. In PROTEKHT nehmen Patienten mit lokal fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren teil. Ziel der Studie ist es, ein Modell zur Rezidivdetektion auf Basis von Patientenantworten zu erstellen, erklärte Dr. Thieme. Zur Erhebung und Auswertung dient die selbstentwickelte Open-Source-App „Toxicity.PRO“. Gemessen wird einmal täglich während der Radio(chemo)therapie und wöchentlich nach deren Abschluss.

* European Organization for Research and Treatment of Cancer
** Common Terminology Criteria for Adverse Events

1. Steinmann D. et al. BMC Cancer 2012; 12: 283; DOI: 10.1186/1471-2407-12-283
2. Yeung A et al. J Clin Oncol 2020; 38: 1685-1692; DOI: 10.1200/JCO.19.02381
3. Denis F et al. JAMA 2019; 321: 306-307; DOI: 10.1001/jama.2018.18085

Quelle: Vordermark D, Thieme AH. jDEGRO: PROMs & Survivorship – Die Zeit danach im Fokus; 27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (virtuell)