Refraktäre/Rezidivierte akute B-Zell-Leukämie Erst CD19, dann CD22
Auf CD19 abzielende CAR-T-Zell-Therapien führen bei 60–90 % der Erkrankten mit rezidivierter oder refraktärer akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie zu einer Komplettremission. Allerdings erleiden 30–50 % der Personen mit anfänglicher CR einen Rückfall. Mögliche Ursachen für diese hohe Rückfallrate sind der Verlust bzw. die Herunterregulierung des Zielantigens und eine kurze CAR-T-Zell-Persistenz.
Die Konsolidierung mit einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) nach einer CAR-T-Zell-Therapie kann das Leben einiger pädiatrischer Patient:innen verlängern. Allerdings können Faktoren wie Spender:innenmangel oder Komplikationen wie schwere Infektionen und Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) die HSCT-Aktivität einschränken. Neue CAR-T-Zell-basierte Strategien müssen entwickelt werden, die die Ergebnisse verbessern. Die Persistenz von CAR-T-Zellen lässt sich durch Modifizierung der Antigenbindungsaffinität oder der Co-Stimulationssignale sowie durch wiederholte Behandlungen erhöhen. Innovative bispezifische CAR-Ansätze, die gleichzeitig auf CD19- und CD22-Antigene abzielen, scheinen sicher und aktiv zu sein. Das deutet darauf hin, dass der Antigenverlust eine gewisse Resistenz gegen CAR-T-Zell-Therapien verursacht.
Das Team um Dr. Jing Pan, Boren Clinical Translational Center, Peking, prüfte in einer einarmigen Phase-2-Studie eine neue Strategie, um die synergistische Toxizität und die Rückfallraten zu reduzieren.1 Die Forschenden untersuchten die sequenzielle Infusion von murinen CD19-CAR-T-Zellen gefolgt von humanisierten CD22-CAR-T-Zellen im Intervall.
81 Erkrankte im Alter von 1–18 Jahren mit rezidivierter oder refraktärer akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie, einer CD19- und CD22-Positivität von mehr als 95 % und einem ECOG-Performance-Status von 0–2 nahmen teil. Sie erhielten eine Lymphodepletion mit Fludarabin- und Cyclophosphamid, gefolgt von einer Infusion von CD19-CAR-T-Zellen. Anschließend wurden Personen, die auf die Behandlung ansprachen und bei denen Nebenwirkungen maximal den Schweregrad 2 erreichten, mit einer weiteren Lymphodepletion behandelt, gefolgt von einer CD22-CAR-T-Zell-Infusion. Je nach Ermessen der behandelnden Prüfärzt:innen erhielten einige Patient:innen anschließend monatliches Decitabin oder eine HSCT.
Sicherheitsprofil
Insgesamt vertrugen die Teilnehmenden das sequenzielle Schema gut, mit geringen Raten an Zytokinfreisetzungssyndromen und Neurotoxizitäten vom Grad 3 oder höher. Es traten keine behandlungsbedingten Todesfälle auf.
Drei Monate nach der ersten Infusion sprachen 60 (97 %) der 62 Teilnehmenden, die die Zieldosis erhalten hatten, objektiv an (primärer Endpunkt). Nach einem medianen Follow-up von 17,7 Monaten fielen die Ergebnisse wie folgt aus:
- ereignisfreies Überleben nach 18 Monaten: 79 %
- krankheitsfreies Überleben: 80 %
- Gesamtüberleben: 96 %
Acht von 79 Patient:innen erhielten eine HSCT. 80 % der Erkrankten, die nach drei Monaten angesprochen hatten, verblieben in Remission.
Das Fazit der Autor:innen: Das sequenzielle Vorgehen führt zu tiefen und anhaltenden Reaktionen mit einem akzeptablen Toxizitätsprofil. Es bietet möglicherweise langfristige Vorteile für Kinder mit rezidivierter oder refraktärer akuter B-Zell-Lymphozytenleukämie.
Die Bewertung der längerfristigen Ergebnisse sowie die Untersuchung in anderen Kohorten wird darüber entscheiden, ob es sich um eine optimale Dual-Targeting-Strategie handelt, schreiben Dr. Regina M. Myers und Prof. Dr. Dr. Stephan A. Grupp vom Children’s Hospital of Philadelphia in ihrem Editorial.2
Quellen:
1. Pan J et al. Lancet Oncol 2023; 24: 1229-1241; DOI: 10.1016/S1470-2045(23)00436-9
2. Myers RM, Grupp SA. Lancet Oncol 2023; 24: 1163-1164; DOI: 10.1016/S1470-2045(23)00517-X