Parkinson Spezifische Trainingsprogramme sind in der Entwicklung
Welche kognitiven und alltagsrelevanten Funktionen jüngere Parkinsonpatienten besonders trainieren möchten, haben Kolleginnen und Kollegen in einer Studie ermittelt. Basis der Abfrage waren die folgenden neun Aktivitätenkategorien der internationalen Klassifikation von Funktion, Behinderung und Gesundheit der WHO:
- Lernen und Wissensanwendung
- allgemeine Aufgaben und Anforderungen
- Kommunikation
- Mobilität
- Selbstversorgung
- häusliches Leben
- interpersonelle Interaktionen und Beziehungen
- bedeutende Lebensbereiche
- Gemeinschafts-, soziales und staatbürgerliches Leben.
Für jede Kategorie entwickelte das Studienteam um Prof. Dr. Inga Liepelt-Scarfone vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Tübingen Beispiele aus dem Patientenalltag im Hinblick auf die kognitiven Bereiche Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen, Sprache, Gedächtnis und visuell-räumliche Funktionen. Jedes Item konnte von den Betroffenen hinsichtlich der Wichtigkeit priorisiert werden.
Sicheres Autofahren hat höchste Priorität
Von 182 Parkinsonpatienten im Alter über 50 Jahre wurden die Angaben ausgewertet. 62 % waren Männer, mehr als zwei Drittel zwischen 60 und 79 Jahre alt. 69 % konnten sich aktuell noch selbst versorgen, 31 % gaben an, unterstützt zu werden. Die vier am häufigsten priorisierten Aussagen („höchste Bedeutung für meinen Alltag“) waren:
- beim Autofahren aufmerksam und konzentriert bleiben (48,0 %)
- beim Autofahren, Fahrradfahren oder Spazierengehen auf unvorhersehbare Reize reagieren können (42,5 %)
- in der Lage sein, mit Finanzen angemessen umzugehen (38,7 %)
- für die eigene Gesundheit Sorge tragen zu können (Ernährung, körperliche Aktivität, 37,0 %)
Insgesamt wurden Items aus dem Bereich Mobilität und Selbstversorgung bevorzugt priorisiert, sie sind daher in zukünftigen Therapieprogrammen stärker zu berücksichtigen, erklärte Prof. Liepelt-Scarfone. Aktuell integriert ihre Arbeitsgruppe die genannten Aspekte in ein kognitives Training, das auf die Aktivitäten des täglichen Lebens zielt.
Die Effekte eines körperlichen Trainings auf Motorik, Wohlbefinden und nicht-motorische Symptome von Parkinsonpatienten untersuchen derzeit Dr. Mandy Roheger und Kollegen der Universitätsklinik Köln im Projekt PiPa-Net. In einer Netzwerkanalyse von 111 Studien konnten sie bereits zeigen, dass zahlreiche körperliche Aktivitäten – vom Tanzen über Aqua-Gymnastik bis hin zu Kraft- und Ausdauertraining – besser dazu beitragen, Motorik, Lebensqualität, Balance und Beweglichkeit zu verbessern als passive oder aktive Kontrollbedingungen. Dabei kommt es weniger auf die Art, als eher auf die Dauer der Aktivität an.
In Fokusgruppen und Telefoninterviews zeigte sich, dass die Freude am Ausführen der jeweiligen Aktivität bei Parkinsonpatienten ein wichtiger Faktor ist. Mit der entsprechenden Motivation lassen sich auch körperliche Defizite durch Anpassungen überwinden, erklärte Dr. Roheger. Ungünstig für die Akzeptanz und Effektivität des körperlichen Trainings sind unpassend zusammengesetzte Gruppen. Dies ist z.B. der Fall, wenn junge Betroffene zusammen mit älteren Erkrankten trainieren. Negativ schlagen auch die schlechte Erreichbarkeit von Angeboten und die fehlende Information über Möglichkeiten für körperliche Aktivitäten zu Buche.
Inwieweit die körperliche Aktivität auch die Kognition trainiert, konnte Dr. Roheger bislang nicht sagen. Eine entsprechende Netzwerkmetaanalyse läuft noch.
Kongressbericht: Deutscher Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2022